Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
wir über die Meere fahren, wenn wir im Ausland sind, selbst wenn du schläfst bei dir zu Hause, teilen wir das Bett. Für mich gab es nie einen anderen. Nur Hest. Für immer, wie ich dachte, als ich törichterweise dieses Medaillon für mich habe anfertigen lassen. Da. Nimm es, wenn du magst, auf Immer und ewig. Ich wünschte, ich könnte dir Hest dazugeben. Aber ich habe meine Zweifel, dass er jemals mein war.«
Sie starrte das Medaillon an, als hielte er kein Schmuckstück in der Hand, sondern eine kleine zusammengerollte Schlange. Er ließ das Medaillon zwischen ihnen aufs Bett fallen. Ein leichtes Zittern durchlief seinen Körper. Über die Jahre hatte er sich den Augenblick der Enthüllung auf unterschiedlichste Weise vorgestellt, aber nie so. Seite an Seite auf dem Bett sitzend in einer dämmrigen Kammer, erstarrt vor Gram. Er hatte sich immer vorgestellt, dass er und Hest es Alise gemeinsam eröffnen würden, bevor er ihren Mann entführte. Dass sie kreischen würde, mit Flüchen und Gegenständen nach ihm werfen würde, ihn ohrfeigen und in Hysterie verfallen würde. Aber während sie den Verrat und Betrug mehrerer Jahre zu fassen versuchte und ihre Sicht auf ihn und das Leben neu überdachte, saß sie einfach nur schweigend da. Sie schwankte ein kleines bisschen, wie ein Baum in einer Böe, und für einen Augenblick fürchtete er, sie würde in Ohnmacht fallen.
»Du und Hest«, sagte sie schließlich mit hörbarem Unbehagen. »Ihr liebt euch. Er hält dich, küsst dich, berührt dich. Muss ich das so verstehen?« Sie berührte die Kette des Medaillons, zog aber sogleich die Finger zurück, als hätte sie sich am kalten Metall verbrannt.
Bislang war er so sonderbar ruhig gewesen. Er war in der Lage gewesen, ihr das größte Geheimnis seines Lebens zu offenbaren, ohne dabei Gefühle zu zeigen. Doch nun quollen die Tränen empor, stiegen ihm in die Augen, und die Kehle schnürte sich ihm zu, als würde er von unsichtbaren Händen aus der Ferne gewürgt. »Ich habe ihn geliebt. Aber ich glaube nicht, dass er mich noch liebt. Falls er es jemals getan hat.« Er legte den Kopf in die Hände, und dann strömten die Tränen. Hatte er geglaubt, er hätte Alise sein größtes Geheimnis erzählt? Dann hatte er sich geirrt. Sein allergrößtes Geheimnis war jenes, das er soeben zum ersten Mal ausgesprochen hatte. Die Täuschung, vor der er selbst die Augen verschlossen hatte.
Er spürte, dass sie aufstand. Jetzt würde sie ihn ohrfeigen und ihn mit den Schimpfnamen eindecken, vor denen er sich seit seiner Kindheit fürchtete. Er wartete.
Stattdessen spürte er ihre Hand, die ihn am Kopf berührte und sein Haar glatt strich, gerade so, wie seine Mutter ihn als Kind gestreichelt hatte. »Das tut mir so leid für dich, Sedric. Ich bin wütend und verletzt. Ich hätte nie gedacht, dass du in der Lage wärst, unsere Freundschaft so zu verraten und mich derart anzulügen. Aber mehr noch tut es mir für uns beide leid. Vor allem tust du mir leid. Wie konntest du einen solchen Mann nur lieben? Welch wertlose Vergeudung deines Herzens. Sieh dir an, wie er unser beider Leben zerstört hat. Mit Hest hat keiner von uns eine Chance, glücklich zu werden. Und ich glaube nicht, dass ihn das auch nur im Geringsten kümmert.«
Er brachte kein Wort heraus. Er konnte das Gesicht nicht von seinen Händen lösen und eine Entschuldigung murmeln. Er spürte, wie sie sich aufrichtete und die Kammer durchquerte. Sie nahm die Kerze mit, und als sie hinausging, war es nur noch halb so hell. Die Tür schlug zu.
Er sank auf sein Bett. Da. Es war vollbracht.
Eben hatte er das Letzte zerstört, was in seinem Leben gut und schön war. Seine Freundschaft mit Alise war dahin, zertrümmert von dem, was er und Hest ihr angetan hatten. Er schämte sich, dass er Hest eine solche Heirat je vorgeschlagen hatte, selbst wenn er es in betrunkenem Zustand getan hatte. Er schämte sich noch mehr, dass er Hest gestattet hatte, die Sache durchzuziehen. Was wäre nötig gewesen, um Hest davon abzuhalten? Ein Besuch bei Alise, um sie im Geheimen über Hests wahre Absichten aufzuklären? Damit hätte er ihr aber verraten, wer er selbst war, und hätte das Unglück wahrscheinlich schon damals auf sich herabgerufen. Hest hätte ihn verstoßen. Daran gab es keinen Zweifel. Und er hätte Wege gefunden, ihn gesellschaftlich vollständig zu zerstören.
Wieso konnte Sedric sich erst jetzt eingestehen, wie rücksichtslos Hest sein konnte? Wenn er wieder zurück wäre
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