Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
Deckshauses und hielt den Augenblick fest. Thymara betrachtete sie und erkannte in ihr die vornehme Dame aus Bingtown, die sie in Cassarick kennengelernt hatte, kaum wieder. Sie hatte ihre breitkrempigen Hüte abgelegt, und ihr glattes, gepflegtes Haar war nur noch eine Erinnerung. Sonne und Wind hatten sie gebräunt und ihre Sommersprossen verstärkt. Ihren Kleidern sah man deutlich an, dass sie oft getragen worden waren. Ihre Hosen hatten Flicken auf den Knien, und der Saum war ausgefranst. Unter den hochgekrempelten Hemdsärmeln kamen sonnengebräunte Arme und Hände hervor. Trotz alledem schien sie Thymara selbst an jenen Tagen, an denen sie ruhig und traurig wirkte, lebendiger und mehr sie selbst zu sein als bei ihrer ersten Begegnung. Ihr Gefährte Sedric hingegen erinnerte Thymara an einen leuchtenden Vogel während der Mauser. All die lieblichen Farben und guten Manieren waren von ihm abgefallen. Er sprach nur noch selten mit ihr, kümmerte sich aber um seinen neuen Drachen mit einer unbeholfenen, rührenden Ernsthaftigkeit. In seiner Obhut blühte die Kupferne auf und hatte sich zu einer Plaudertasche gewandelt, was immer dann auffiel, wenn Sedric nicht in der Nähe war, um sie zu beschäftigen. Ihre Gedanken und ihre Sprache waren deutlicher geworden, und nachdem sie von den Parasiten befreit worden war, wuchs sie so rasch, wie es ihr eingeschränkter Speiseplan erlaubte.
Sie war nicht der einzige Drache, der sich seit der Flutwelle verändert hatte. Der Silberne, Fauch, wie er sich jetzt nannte, war fast schon gefährlich geworden. Reizbar, wie er war, hatte er Boxter mit seiner Giftsalve verätzt – einfach nur, weil dieser gerade in der Nähe gewesen war, als Fauch sich über einen anderen Drachen aufgeregt hatte. Mercor hatte sich sogleich brüllend auf Fauch gestürzt. Dabei hatte Boxter noch Glück gehabt, dass ihn der Giftstrahl nicht direkt getroffen hatte. Zwar war sein Arm verätzt, aber er hatte sich das Hemd schnell genug vom Leib gerissen. Dann hatte es erst einmal all seine Anstrengung gekostet, seinen eigenen Drachen davon abzuhalten, Fauch anzufallen. Erst später vermochten die Hüter sich um seine Verbrennungen zu kümmern und seinen Unterarm zu verbinden. Wäre er nicht so stark geschuppt gewesen, wäre die Sache um einiges schlimmer gewesen.
Einige der Drachen waren unzufrieden und des Wanderns überdrüssig, andere waren noch immer so entschlossen wie am ersten Tag. Ihre Einstellung zu der Reise schwankte so sehr wie die zu ihren Hütern. Zwischen manchen Drachen und Hütern schien eine enge Verbundenheit zu bestehen. Mercor und Sylve erinnerten Thymara an ein altes Ehepaar. Sie kannten sich gut und waren miteinander sehr zufrieden. Sintara und sie hatten ihre Differenzen dagegen immer noch nicht aus der Welt geschafft, und mit jedem Tag bezweifelte Thymara mehr, dass ihnen das je gelänge. Die Drachin schien wütend auf sie zu sein, aber Thymara wusste nicht den Grund dafür. Sintara nahm noch immer das Recht für sich in Anspruch, sie herumzukommandieren und ihr zu befehlen, dass sie sie putzen oder ihr Parasiten aus den Augen entfernen sollte. In Erfüllung ihres Vertrags sorgte sich Thymara um ihren Drachen, und trotz Sintaras wachsender Unzufriedenheit mit ihr hatte sie das Gefühl, dass ihre Verbundenheit stärker wurde. Sie wusste inzwischen viel besser über die Bedürfnisse der Drachin Bescheid, und wenn Sintara mit ihr sprach, erfasste sie Bedeutungen, die über die reinen Worte hinausgingen. Sie waren durch etwas verbunden, das tiefer und stärker als Zuneigung war. Nicht immer war dieses Band angenehm für sie beide, aber es war da. Weshalb es existierte, war ein Rätsel. Obwohl Alise die Drachin ebenfalls aufsuchte, war Sintara ihr gegenüber noch weniger aufmerksam. Seltsamerweise schien Alise sich das nicht zu Herzen zu nehmen. Manchmal fragte sich Thymara, wovon Alise abgelenkt war. Doch vermutlich war der Frau aus Bingtown genau wie ihr aufgegangen, dass sie der Drachin einfach nicht so viel bedeutete.
Ohne Warken war Baliper eine einsame Seele. Die Hüter übernahmen das Putzen bei ihm abwechselnd, aber er sprach nur wenig mit ihnen und interessierte sich nicht für die Menschen. Ein Teil der Drachen hatte Verständnis für seine Trauer, andere hielten ihn deswegen für schwach. Veras, Jerds Drachin, machte kein Geheimnis daraus, dass sie über die mangelnde Aufmerksamkeit ihrer Hüterin verärgert war. Greft kümmerte sich nur noch nachlässig um Kalo, und dieser
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