Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
Fleisch aus der Wunde der Kupferdrachin eingesteckt, die Thymara gereinigt hat. All das habe ich in meiner Kabine versteckt.« Während seiner Erzählung griff er in den Leinensack. Nacheinander holte er mehrere kleine Glasphiolen heraus und stellte sie auf den Tisch. In einer schwamm ein roter Fleck. »Meine Absicht war, sie nach Bingtown zurückzubringen und mich dort mit dem Kaufmann aus Chalced zu treffen, um reich zu werden.«
An dieser Stelle hielt er inne.
Nach einem Augenblick wurde ihr bewusst, dass er auf eine Reaktion von ihr wartete. Da ergriff sie eines der Fläschchen und drehte es in der Hand herum. »Was hast du mit den Proben gemacht?«
»Greft hat sie mir gestohlen. Als er mit dem Boot abgehauen ist. Und jetzt sind sie für immer dahin.« Er deutete auf die Phiolen. Sie unterdrückte ein Schaudern und setzte das Gefäß wieder ab. Dabei klirrte es leise.
»Warum erzählst du mir das jetzt?«
Er zögerte, bevor er widerstrebend antwortete: »Wegen Carson. Er hat gemeint, ich muss erst mit dem Alten abschließen, bevor ich etwas Neues anfangen kann. Und das ist ein Teil davon.«
»Dass du mit mir abschließt.«
»Nein. Nein, das meine ich damit überhaupt nicht. Ich will dich nicht verlieren, Alise. Ich weiß, dass das wahrscheinlich nicht mehr möglich ist, aber ich würde gern wieder der Freund werden, der ich einst war. Ich wäre gern wieder dieser Mensch, wenn du verstehst, was ich meine, auch wenn du mich nicht mehr so sehen kannst, wie du es früher getan hast. Aus deinem Freund, der ich einst war, ist irgendwie jemand geworden, der dich betrügen konnte. Dich ausgenützt hat, um sich den Drachen zu nähern. Dieser Mensch will ich nicht mehr sein. Indem ich dir das alles erzähle, zerstöre ich ihn ein Stück weit. Dir von diesem Menschen zu erzählen, ist etwas, was der alte Sedric getan hätte, damals, als er noch ein richtig guter Freund war.«
»Damit willst du sagen, bevor Hest ihn drangekriegt hat. Bevor Hest uns beide drangekriegt hat.« Sie hob die Hand und rieb sich die Stirn. Dadurch konnte sie sich kurz die Augen bedecken und einen Moment mit ihren Gedanken allein sein. Es war nicht gerecht, Hest die ganze Schuld zu geben. Oder doch? Sie und Sedric waren getrennte Wege gegangen, bevor er auf den Plan getreten war und ihre Schicksale wieder auf so bizarre Weise miteinander verwoben hatte. Sie versuchte sich daran zu erinnern, wie sie früher über Sedric gedacht hatte. In jenen Jahren, in denen sie nichts mehr miteinander zu tun gehabt hatten, war er ihr in guter Erinnerung gewesen und sie hatte über die Schwärmerei ihrer Kindheit gelächelt. Sie hatte sich immer gefreut, wenn sie ihn auf dem Markt oder bei einem Besuch von gemeinsamen Freunden zufällig gesehen hatte, hatte ihn immer sehr herzlich begrüßt.
Seine Anwesenheit war das einzig Angenehme an ihrer Ehe mit Hest gewesen, wurde ihr allmählich bewusst. Sie versuchte, sich die letzten Jahre ohne ihn vorzustellen. Wie wäre es gewesen, wenn sie Hest allein ausgesetzt gewesen wäre? Ohne Sedric, der ihr Aufmerksamkeit geschenkt und sie bei Tisch unterhalten hatte? Sie dachte daran, dass er Hest beraten hatte, wenn dieser ein Geschenk für sie wählen musste oder ihr die Schriftrollen und Bücher verschaffen sollte, die ihr Leben erträglich gemacht hatten. Auf gewisse Weise waren sie wie zwei Tiere gewesen, die in derselben Falle gefangen saßen. Wenn er auch mit dafür verantwortlich war, dass sie in Hests Hände gefallen war, so hatte er doch alles nur Mögliche getan, um ihr Elend zu lindern.
Und er hatte geholfen, ihr diese Reise zu ermöglichen. Zu einem für ihn gewiss schrecklich hohen Preis.
Die Kette aus Ereignissen hatte sie zu Leftrin geführt, wo sie Liebe und ein neues Leben gefunden hatte.
Ihre Fingerspitze berührte die Phiole mit dem roten Fleck. Dann runzelte sie die Stirn, beugte sich vor und nahm das Fläschchen daneben in die Hand. Dieses war ein bisschen größer als die anderen. Aus seinem Inneren blinzelte ihr etwas zu. Sie hielt es ins Licht, das durchs Küchenfenster fiel, und sah genauer hin. Dann schüttelte sie das Fläschchen. Es bewegte sich nicht, aber es konnte kein Zweifel daran bestehen, um was es sich handelte.
Mit einer Wucht, die ihn überraschte, zerschlug sie die Phiole plötzlich an der Tischkante. Scherben spritzten umher, und Sedric riss unwillkürlich die Hände vors Gesicht. »Entschuldige«, murmelte sie, erstaunt von ihrer eigenen Impulsivität. Mit spitzen Fingern
Weitere Kostenlose Bücher