Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
verändert. Alles, was wir jetzt tun können, ist, den Drachen zu folgen, solange der Fluss schiffbar ist, und hoffen, dass wir irgendwo ankommen.«
Als er sie anblickte, sah er, dass sie unter den Sommersprossen bleich geworden war und die Kiefer zusammenpresste. Deshalb versuchte er, etwas sanfter fortzufahren. »Das ist doch nur logisch, Alise. Wenn Kelsingra nicht untergegangen wäre, hätten dann nicht auch die Elderlinge überlebt? Und wenn die Elderlinge überlebt hätten, hätten sie dann nicht auch die Drachen am Leben erhalten? Auf all den Wandteppichen sind sie stets zusammen abgebildet.«
»Aber … wenn Ihr nicht daran glaubt, dass wir Kelsingra finden, wenn Ihr es noch nie geglaubt habt, warum habt Ihr diese Expedition dann unternommen?«
Er sah ihr offen in die ach so grünen Augen. »Ihr wolltet gehen. Ihr habt gewollt, dass ich mitgehe. Und auf diese Weise konnte ich Euch nahe sein, wenn auch nur für eine gewisse Zeit.« Während er diese Worte sprach, konnte er ihre Gefühle in ihrem Blick lesen. Er sah weg. »Das hat den Ausschlag gegeben. Als ich von der Expedition gehört habe, dachte ich anfangs: ›Na, das ist ja mal ein Auftrag für einen Verrückten.‹ Bei den geringen Erfolgsaussichten würde er sicher entsprechend bezahlt werden, dachte ich. Einen Haufen Geld als Vorschuss gab es, und das Versprechen auf mehr, ›wenn alles erledigt ist‹. Obendrein erhoffte ich mir ein schönes Abenteuer. Jeder Flussschiffer fragt sich, woher der Strom kommt. Hier bot sich mir eine Gelegenheit, dies herauszufinden. Und ich war schon immer auch ein Spieler. Jeder, der auf dem Fluss arbeitet, spielt auf die eine oder andere Weise um große Einsätze. Darum habe ich mich darauf eingelassen.«
Er forderte sich und sein Glück erneut heraus. Ihre Hände ruhten auf der Reling neben seiner. Er hob seine Hand und legte sie sanft auf ihre. Die Wirkung traf ihn unvorbereitet. Ein fast krampfartiges Beben durchlief seinen Körper. Ihre Hand lag unter seiner, und sie wiederum berührte Teermann . Ein Gedanke ging ihm durch den Kopf. »Alles, was ich mir auf dieser Welt wünsche, habe ich hier, unter meiner Hand.«
Der Gedanke hallte in ihm wider, strahlte von seinen Knochen bis in Teermanns Holz und wieder zurück, bis er nicht mehr sagen konnte, wo er seinen Ursprung gehabt hatte.
Zwölfter Tag des Gebetsmonds
IM SECHSTEN JAHR DES UNABHÄNGIGEN HÄNDLERBUNDS
Von Erek, Vogelwart in Bingtown, an Detozi, Vogelwart in Trehaug In dem versiegelten Röhrchen befindet sich eine streng vertrauliche Nachricht für Händler Newf. Der Absender hat eine erhöhte Gebühr bezahlt für die Garantie, dass das Schreiben mit intaktem Siegel überstellt wird.
Detozi,
mein Lehrling verrichtet seine Aufgaben noch immer vortrefflich. Meine Gratulation an Eure Familie, die einen jungen Mann wohl erzogen hat. Bald findet eine Versammlung der Vogelwarte statt, und wahrscheinlich wird er zum Status eines Gesellen erhoben werden. Dies teile ich Euch natürlich im Vertrauen mit, da er erst davon erfahren darf, wenn die offiziellen Ergebnisse bekannt sind.
Er hat sich so geschickt bei der Arbeit erwiesen, dass ich mit dem Gedanken spiele, eine Weile auszusetzen. Ich liebäugle schon lange mit einer Reise in die Regenwildnis und zu ihren Wundern. Selbstverständlich würde ich niemals Eure Gastfreundschaft in Anspruch nehmen wollen, aber es würde mich sehr freuen, Euch persönlich kennenzulernen. Wäret Ihr diesem Ansinnen gewogen?
Erek
3
Erste Beute
I nstinktiv hatten die Hüter die Gefahr sogleich erkannt, als die Wellen gegen ihre kleinen Boote geschlagen hatten. Die Drachen vor ihnen waren unvermittelt stehen geblieben. Sie hatten sich breitbeinig hingestellt und die Pranken fest ins Flussbett gerammt, als die Woge an ihnen vorbeigeschwappt war. Der Silberdrache hatte panisch aufgeheult und den Kopf wild herumgeworfen, weil er in alle Richtungen gleichzeitig schauen wollte. Von den Bäumen flogen aufgescheuchte Vögel auf und kreisten unter hilflosem Gekreische über dem Fluss.
Als zum zweiten Mal die Erde bebte und im Wald und am Ufer Zweige und Blätter herabregneten, rief Rapskal aus: »Gut, dass wir nicht ans Ufer geflüchtet sind. Glaubst du, dass einer der Bäume umfallen wird?«
Vor dieser Äußerung hatte Thymara sich darum keine Sorgen gemacht. Denn sie war ganz in den Vergleich vertieft gewesen, wie sich ein Erdbeben auf dem Wasser anfühlte und wie es war, wenn man es in den Wipfeln erlebte.
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