Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
um sich und starrte in die Dunkelheit. Immer noch konnte sie die anderen beim Feuer reden hören, und jemand lachte. Sie wünschte sich, sie wäre bei ihnen und noch immer im Genuss der Kameradschaft unter den Hütern. Irgendwie hatten Greft und Jerd ihr das verdorben. Wussten die anderen davon und kümmerten sich nur nicht darum? Was würden sie von ihr denken, wenn sie es ihnen erzählte? Würden sie sich gegen Greft und Jerd wenden? Oder würden sie Thymara auslachen, weil sie sich noch immer den Regeln verpflichtet fühlte? Sie wusste keine Antwort auf all diese Fragen und kam sich wie ein Kind vor.
Als Rapskal seine Decke aus dem Boot holte, lag sie noch immer wach. Durch die Wimpern ihrer gesenkten Augenlider sah sie ihn in seine Decke gehüllt zu ihr kommen. Er stieg über sie hinweg, setzte sich mit dem Rücken zu ihr nieder und kuschelte sich an ihren Rücken. Nach einem tiefen Seufzer schlief er innerhalb weniger Augenblicke ein.
Sein Körper ruhte schwer und warm an ihrem Rücken. Sie dachte daran, sich ihm zuzuwenden, und dass er dann vermutlich erwachen würde. Was würde dann passieren? Trotz seiner Sonderbarkeit war Rapskal ein gut aussehender Junge. Seine blassblauen Augen waren beunruhigend und seltsam anziehend zugleich. Obwohl er Schuppen hatte, wuchsen ihm lange, dunkle Wimpern. Sie liebte ihn nicht – nun ja, zumindest nicht auf diese Weise, aber er war unbestreitbar ein schöner Mann. Sie biss sich auf die Unterlippe, während sie daran dachte, was Jerd und Greft getan hatten. Sie bezweifelte, dass Jerd Greft liebte oder dass er viel für die Hüterin empfand. Schließlich hatten sie gestritten, bevor sie es getan hatten. Was hatte das zu bedeuten? Durch die Decken spürte sie Rapskals warmen Leib, und dennoch überlief sie ein kalter Schauer. Aber es war kein Schauer wegen der Kälte, sondern wegen dem, was sein könnte.
Vorsichtig rückte sie von ihm weg. Nein. Nicht heute Nacht. Nicht aus einer unbedachten Regung heraus. Was andere taten, war nicht entscheidend. Sie musste sich ihre eigenen Gedanken über diese Dinge machen.
Zu früh brach der Tag an, brachte aber keine Antworten. Steif setzte sie sich auf und konnte nicht sagen, ob sie überhaupt geschlafen hatte. Wie die meisten anderen regte sich Rapskal noch nicht. Die Drachen waren keine Frühaufsteher, deshalb hatten sich viele Hüter angewöhnt, beinahe ebenso lange zu schlafen. Aber Thymara konnte ihre alten Gewohnheiten nur schwer abstreifen. Sie war stets beim ersten Tageslicht aufgewacht, und ihr Vater hatte ihr beigebracht, dass die frühen Morgenstunden am besten zum Jagen und Sammeln geeignet waren. Deshalb stand sie trotz ihrer Müdigkeit auf. Eine Zeit lang sah sie gedankenverloren auf Rapskal hinab. Seine dunklen Wimpern bogen sich über der Wange, sein Mund war entspannt, voll und weich. Die locker zu Fäusten geballten Hände lagen unter seinem Kinn. Seine Fingernägel waren mehr rosafarben als zuvor. Um sie genauer betrachten zu können, beugte Thymara sich vor. Tatsächlich, sie veränderten sich. Scharlachrot, als wollten sie besser zu seiner kleinen Drachin passen. Thymara ertappte sich bei einem Lächeln und merkte, dass sie seinen Geruch wahrnahm. Ein männlicher Duft, der nichts Abstoßendes an sich hatte. Sie richtete sich auf und wich zurück. Was dachte sie sich nur dabei? Dass der Junge gut roch? Wie hatte Jerd sich Greft ausgesucht, und warum? Dann legte Thymara ihre Decke zusammen und verstaute sie im Boot.
Zur täglichen Routine der Hüter gehörte, dass sie abends im Lager einen Sandbrunnen gruben. Dieses Loch wurde ein Stück vom Ufer entfernt ausgehoben und mit Leinwand eingefasst. Das Wasser, das in die flache Mulde sickerte und von der Leinwand gefiltert wurde, war weniger sauer als das Flusswasser. Dennoch näherte sich Thymara ihm mit Vorsicht. Zu ihrer Erleichterung stellte sie fest, dass der Fluss heute Morgen noch immer klares Wasser führte. Daher schien es ihr unbedenklich, sich Gesicht und Hände zu waschen und ordentlich davon zu trinken. Das kalte Wasser verscheuchte vollends die letzten Schlafreste. Es war Zeit, sich dem Tag zuzuwenden.
Die anderen lagen größtenteils noch in ihre Decken gehüllt rings um die glimmende Asche des gestrigen Lagerfeuers. Sie sahen aus wie blaue Kokons. Oder wie Drachenhüllen. Thymara gähnte und beschloss, mit dem Jagdspeer ein wenig am Fluss entlangzugehen. Mit etwas Glück würde sie ein Frühstück finden oder einen Happen für Sintara.
Fisch wäre
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