Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
dem Hexenholz hatte, nur jenen anvertrauen wollte, von denen er glaubte, dass sie ein Geheimnis für sich behalten und an Bord bleiben würden. Keinem Mann an den Stocherstangen wäre die Veränderung Teermanns entgangen. Deshalb war seine Mannschaft nun handverlesen und würde wahrscheinlich ein Leben lang an Bord bleiben. Hennesey hatte sich ganz dem Schiff verschrieben, Bellin liebte den Kahn, und Eider war so gesprächig wie der Anker. Und für Skelly bedeutete das Schiff ihr künftiges Vermögen. Damit sollte das Geheimnis eigentlich sicher sein.
Aber das war es nicht. Und nun stand alles auf dem Spiel, die Mannschaft und ihr Schiff. Was würde das Konzil tun, wenn es wüsste, was er getan hatte? Wie würden die Drachen darauf reagieren? Er ballte die Fäuste und knirschte mit den Zähnen. Zu spät, um umzukehren.
Langsam drehte er eine Runde übers Deck und überprüfte Dinge, die nicht überprüft werden mussten. Alles war genauso, wie es sein sollte. Jess und sein Kanu waren verschwunden. Gut. Kurz dachte er nach, dann zog er sein Rumfläschchen heraus und kippte den Inhalt in den Fluss. »Auf dass er nicht zurückkehre«, beschwor er El zornig. Wie allenthalben bekannt, ließ dieser Gott sich nicht durch Gebete erweichen, aber manchmal ließ er sich bestechen. Für gewöhnlich verehrte Leftrin Sa, soweit er überhaupt gottesfürchtig war. Doch in verzweifelten Situationen war ein grausamer Heidengott die bessere Wahl.
Nun ja, es blieb durchaus noch eine andere Möglichkeit. Er konnte Jess auch selbst ermorden …
Er mochte nicht darüber nachdenken. Nicht nur, weil er davon ausging, dass der Jäger es ihm nicht leicht machen würde. Sondern auch, weil er kein Mensch sein wollte, der unbequeme Zeitgenossen aus dem Weg räumte. Aber Jess hatte anklingen lassen, dass er einiges mehr als nur unbequem sein würde.
Auf dem Wasser gab es viele Möglichkeiten, einen Menschen zu töten. Und viele davon konnte man wie einen Unfall aussehen lassen. Stumpf dachte Leftrin darüber nach. Jess war zäh und scharfsinnig. Und Leftrin hatte heute den Fehler begangen, ihn anzufauchen. Stattdessen hätte er ihm Interesse an seinem Angebot vorgaukeln sollen, hätte einen auf gut Freund machen sollen. Dann hätte er ihn zu einem mitternächtlichen Überfall auf die schlafenden Drachen einladen sollen. Das wäre die beste Gelegenheit gewesen, ihn zu erledigen. Aber der Kerl hatte ihn so sehr gereizt, dass er nicht mehr klar hatte denken können. Er hasste es, wie Jess in Alises Gegenwart kicherte. Die Ratte wusste, was Leftrin ihr gegenüber empfand, und der Kapitän hatte den Eindruck, dass Jess ihm die Sache mit ihr allein deshalb verderben würde, weil er es konnte. Und er hatte Jess’ Gesichtsausdruck gesehen, als Alise mit der Drachenschuppe an Bord gekommen war und sie voller Vergnügen herumgezeigt hatte. Da hatte er das gierige Funkeln im Auge des Jägers entdeckt und sich sogleich Sorgen um sie gemacht. Leftrin ging ein paar Schritte weiter, bückte sich, um ein Stück aufgerolltes Tau zurechtzurücken, das bereits fein säuberlich dalag.
Vor zwei Abenden hatte Jess ihn mit seinem neuen Plan aufgesucht. Dabei hatte er Leftrin rasend gemacht, weil er darauf beharrt hatte, dass Sedric offen für ihr Vorhaben war. Zwar hatte er sich geweigert, zu verraten, woher er diesen Verdacht nahm, aber Leftrin hatte ihn zweimal in der Nähe der Kabine des Kranken erwischt. Obwohl Jess lediglich sein höhnisches Grinsen gezeigt hatte, war es offensichtlich, dass er glaubte, Leftrin würde Alise und Sedric in den Drachenhandel einweihen. Und er glaubte, sich in dieses Bündnis drängen und es für sich selbst ausschlachten zu können. Früher oder später würde er sich an Sedric wenden. Sedric bräuchte er nicht lange davon zu überzeugen, dass Leftrin mit Jess unter einer Decke steckte. Und der Kapitän konnte sich die Reaktion des Gecken lebhaft vorstellen, wenn Jess ihm andeutete, dass Leftrin Alise nach Chalced entführen würde und dass er mit dem nötigen Geld ebenfalls dorthin auswandern konnte. Oder Alises Reaktion, wenn sie erfahren würde, dass er nur auf die Gelegenheit wartete, einen Drachen zu schlachten.
Der Kerl war eine unberechenbare Gefahr, und Leftrin musste ihn loswerden. Eine kalte Entschlossenheit stieg in ihm auf, und er spürte, dass Teermann einverstanden mit ihm war. Fast war es eine Erleichterung.
Selbst wenn er es nach einem Unfall aussehen ließ, würde ein Mord Konsequenzen nach sich ziehen. Der
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