Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
können ihm die kleinen Boote der Hüter widerstehen?«
Er holte tief Luft und ließ sie durch die Nase entweichen. »Nun ja, eine Säureflut ist immer gefährlich. Zwar halten die Boote das ätzende Wasser wahrscheinlich ein paar Tage lang aus, aber sicherheitshalber würden wir die Boote bei starker Säure an Bord holen, verstauen und die Hüter auf dem Kahn mitfahren lassen.«
»Und die Drachen?«
Er schüttelte den Kopf. »Mir scheint, sie haben eine dicke Haut. Einige Tiere der Wildnis, Vögel und Fische kommen mit der Säure zurecht. Andere meiden den Fluss, wenn er weiß wird. Wieder andere bemerken den Unterschied offenbar gar nicht. Wenn der Fluss milchig ist, hängt viel davon ab, wie weiß er tatsächlich ist und wie lange er es ist. Dauert es nicht länger als einen Tag an, werden die Drachen es vermutlich überstehen. Wenn es deutlich länger anhält, würde ich mir Sorgen machen. Aber vielleicht haben wir Glück und finden in der Nähe ein festes Ufer, wo die Drachen das Schlimmste aussitzen können.«
»Und was, wenn es kein solches Ufer gibt?«, fragte Alise mit gesenkter Stimme.
»Ihr kennt die Antwort darauf«, gab Leftrin zurück. Bisher war ihnen das auf ihrer Reise nur einmal passiert. Eines Abends war die Nacht hereingebrochen, ohne dass ein Lagerplatz in Sicht gewesen wäre. Nur Sumpf, so weit das Auge reichte, und kein trockener Fleck für die Drachen. Trotz ihres Murrens hatten die Drachen über Nacht im Wasser stehen müssen, während die Hüter an Bord von Teermann Zuflucht gefunden hatten. Gefallen hatte den Drachen diese Erfahrung nicht, aber sie hatten sie überlebt. Damals war das Wasser jedoch mild und das Wetter freundlich gewesen. »Sie müssten es irgendwie durchstehen«, sagte Leftrin. Keiner von ihnen sprach aus, was die Säure für die Wunden und Entzündungen der Drachen bedeuten würde.
Nach kurzem Schweigen fügte Leftrin hinzu: »Diese Gefahr bestand vom Beginn der Reise an, Alise. Tatsächlich ist dies die offensichtlichste Gefahr, und mit der mussten wir schon immer leben. Die ersten ›Siedler‹ der Regenwildnis hatte man ursprünglich hier ausgesetzt. Denn niemand, der bei rechtem Verstand war, wäre aus eigenem Antrieb hierhergekommen.«
»Ich kenne die Geschichte«, unterbrach ihn Alise einigermaßen unwirsch, setzte dann aber mit einem schwachen Lächeln hinzu: »Und ich bin ganz gewiss aus eigenem Antrieb hier.«
»Nun, die Geschichte Bingtowns ist sicher auch die der Regenwildnis. Aber für uns ist sie zugleich noch immer das tägliche Leben.« Er lehnte an der Reling, spürte Teermann unter sich und betrachtete die Flut, die seine Welt war. »In diesem Wasser fließt die Andersartigkeit, und sie zeichnet uns alle auf die eine oder andere Weise. Trehaug ist vielleicht nicht die komfortabelste Stadt der Welt, und Cassarick genauso wenig. Aber ohne diese Städte könnte Bingtown nicht mit Elderlingsartefakten handeln. Deshalb gibt es meiner Ansicht nach kein Bingtown ohne die Regenwildnis. Aber was ich sagen will: In jeder Generation, in jedem Jahrzehnt ziehen Forscher aus und schwören, bessere Orte zur Besiedlung zu finden. Manche kehren nicht wieder. Und diejenigen, die zurückkommen, berichten alle dasselbe. Nichts als das weite Flusstal mit unzähligen Bäumen und feuchtem Grund. Und je tiefer man in den Wald eindringt, desto seltsamer wird er. Alle Expeditionen, die stromaufwärts gefahren sind, haben berichtet, dass der Fluss irgendwann nicht mehr schiffbar ist. Er wird flacher und weiter und weiter, bis er kein Ufer mehr zu haben scheint.«
»Aber sie sind einfach nur nicht weit genug gefahren, oder? Ich habe ausreichend Verweise auf Kelsingra gefunden, um mir sicher zu sein, dass die Stadt tatsächlich existiert hat. Und irgendwo muss sie ja auch heute noch sein.«
»Die traurige Wahrheit ist, dass sie direkt unter uns sein könnte und wir es niemals herausfinden würden. Oder sie könnte eine halbe Tagesreise von uns entfernt sein, hinter den Bäumen, von Moos und Morast eingehüllt. Oder sie liegt an einem der Zuflüsse, an deren Mündungen wir vorbeigekommen sind. Zwei Elderlingsstädte sind versunken oder wurden verschüttet. Niemand weiß genau, was damals geschehen ist, aber wir wissen, dass sie nun unter der Erde sind. Dasselbe könnte mit Kelsingra passiert sein. Ist es wahrscheinlich auch. Vor langer Zeit ist hier etwas Gewaltiges, Schlimmes geschehen, das die Elderlinge und beinahe auch die Drachen ausgelöscht hat. Damit hat sich alles
Weitere Kostenlose Bücher