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Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer

Titel: Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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den Blick in die Flammen gerichtet hatte, bemerkte sie aus dem Augenwinkel, dass Jerd kurz darauf aufstand, sich demonstrativ streckte und die Gruppe ebenfalls verließ. Als sie hinter Thymara vorbeiging, sagte sie leise, aber mit spitzer Stimme Gute Nacht. Thymara knirschte mit den Zähnen und antwortete nicht.
    »Was ist denn in letzter Zeit eigentlich mit der los?«, fragte Rapskal, der rechts von Thymara saß.
    »So ist sie halt«, sagte Tats leise und mit bitterem Unterton.
    »Ich weiß ganz sicher nicht, was mit der los ist. Und ich geh jetzt ins Bett«, gab Thymara zurück. Sie wollte aus dem Licht der Flammen gelangen, damit niemand sah, wie peinlich ihr das Thema war.
    »Na dann, gute Nacht«, murmelte Tats ein bisschen steif, als hätte ihn ihre brüske Antwort gekränkt.
    »Ich komm dann auch bald«, erklärte Rapskal fröhlich. Ihr war es noch nicht gelungen, ihm klarzumachen, dass sie eigentlich nicht wollte, dass er sich jede Nacht an ihren Rücken kuschelte. Als sie ihm einmal freundlich erklärt hatte, dass sie niemanden brauchte, der sie bewachte, hatte er strahlend entgegnet, dass er gerne an ihrem Rücken schlief.
    »Es ist wärmer, und sollte einmal Gefahr drohen, wachst du wahrscheinlich vor mir auf. Außerdem hast du ein größeres Messer.« Damit war er zur kaum verborgenen Erheiterung der anderen nicht nur zu ihrem Bootspartner bei Tage, sondern auch zu ihrem Schlafgefährten in der Nacht geworden. Auf eine gewisse Art mochte sie ihn, konnte aber beim besten Willen nicht leugnen, dass seine ständige Anwesenheit ihr auf die Nerven ging. Seit sie Greft und Jerd beobachtet hatte, war sie sehr aufgewühlt. Lange hatte sie darüber gebrütet, hatte auf ihre Fragen aber keine zufriedenstellenden Antworten gefunden.
    Durfte Greft einfach so neue Regeln für sich aufstellen? Durfte es Jerd? Und wenn sie es durften, was war mit den anderen? Verzweifelt wünschte sie sich eine ruhige Minute mit Tats, um darüber zu reden, aber Rapskal wich nicht von ihrer Seite. Und wenn Rapskal ihr einmal nicht folgte, hing Sylve an Tats Fersen. Thymara war sich nicht sicher, ob sie Tats tatsächlich erzählen würde, was sie gesehen hatte, aber sie wusste, dass sie mit jemandem darüber reden wollte.
    Als sie an jenem Abend ins Lager zurückgekehrt war, hatte sie mit dem Gedanken gespielt, zu Leftrin zu gehen und ihn wissen zu lassen, was da vor sich ging. Schließlich war er der Kapitän des Schiffes, das ihre Expedition versorgte. Doch je mehr sie darüber nachgedacht hatte, desto mehr hatte sie gezögert. Schließlich war sie zu dem Schluss gekommen, dass es irgendwo zwischen Petze und Verrat rangieren würde. Nein. Was Jerd und Greft taten, ging die Hüter an und sonst niemanden. Schließlich waren sie stets an diese Regeln gebunden gewesen. Regeln, die ihnen von anderen auferlegt worden waren. Von Leuten wie Kapitän Leftrin, die zwar gezeichnet waren, sich selbst deshalb aber nicht einschränkten. War das gerecht? War es richtig, dass jemand eine solche Entscheidung traf und sie und die anderen Hüter damit band?
    Jedes Mal brannten ihr die Wangen aufs Neue, wenn sie an das dachte, was sie entdeckt hatte. Es war unangenehm genug, dass sie die beiden gesehen hatte und wusste, was sie miteinander trieben. Schlimmer aber war, dass die beiden wussten, dass Thymara sie gesehen hatte. Sie sah sich nicht in der Lage, den beiden gegenüberzutreten, aber ihnen beständig auszuweichen war fast ebenso unangenehm. Zu allem Überfluss gaben ihr Jerds spitze Bemerkungen und Grefts selbstgefällige Blicke das Gefühl, im Unrecht zu sein. Aber das war sie doch nicht. Oder doch?
    Was Greft und Jerd taten, lief allem zuwider, was man Thymara beigebracht hatte. Selbst wenn sie verheiratet gewesen wären, wäre es noch falsch gewesen – nicht, dass man ihnen je gestattet hätte zu heiraten. Zeichnete die Regenwildnis ein Kind bereits bei der Geburt, setzte man es am besten aus und versuchte es mit einem zweiten. Denn diese Kinder überlebten nur selten ihren fünften Geburtstag. In einer Gegend, in der stets Mangel herrschte, war es töricht, wenn Eltern Mühen und Nahrung auf solche Kinder verschwendeten. Leute wie Thymara, die durch Zufall oder wegen ihrer Hartnäckigkeit überlebt hatten, durften nicht heiraten und schon gar keine Kinder bekommen.
    Aber wenn Jerd und Greft ein Unrecht begingen, warum war sie dann diejenige, die sich nicht nur schuldig fühlte, sondern auch noch töricht vorkam? Sie wickelte ihre Decke fester

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