Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
kleine Kupferkönigin, ich wünsche mir, du hättest fliegen können.
Ich habe Schwingen! Die erschöpfte Drachin neigte den Kopf zur Seite. Unendlich langsam hob sie die Flügel und breitete sie ein Stück aus. Das Licht spiegelte sich darauf wie auf geplättetem Kupfer. Sie waren größer, als er vermutet hatte, und zierlicher. Das spinnennetzartige Knochengerüst zeichnete sich auf der ledrigen Flughaut und den federgleichen Schuppen ab. Als die Nachmittagssonne hindurchschien, wirkten die Schuppen wie die Scheiben eines Buntglasfensters.
»Sie sind schön«, sagte er laut und betrübt, und er spürte, wie sie sich in dem Kompliment sonnte.
»Schön, das ist richtig. Und das Leder hält viele Hundert Jahre, wenn man den Geschichten glaubt. Aber sie sind zu groß für uns, um sie mitzunehmen. Sie würden verfaulen, ehe wir die Flussmündung erreicht hätten.« Auf einem gestürzten Baum näherte Jess sich der Drachin. Dabei musste er zuweilen über belaubte Zweige steigen, konnte sich dabei aber auch an ihnen festhalten. Er blieb stehen und lachte lauthals über Sedrics Stirnrunzeln. »Schaut mich nicht so finster an. Ihr wisst, dass es so ist. Haltet sie ruhig. Durch ihr Zappeln hat sich das ganze Treibgut gelöst und ist nicht mehr sicher. Ich will nicht, dass sie mich ins Wasser stößt, und ich unter das ganze Zeug gerate.« Ächzend und vorsichtig arbeitete er sich den schwimmenden Baum entlang.
Zwei Schritte vor ihr blieb er stehen. Dabei war sein Blick nicht auf Sedric, sondern auf die Drachin gerichtet. Denn er wusste, dass Sedric keine andere Wahl hatte, als ihm zu helfen. »Sagt ihr, sie soll mir ihren Kopf entgegenstrecken, wenn ich auf sie zugehe. Ich werde ihr das Seil um den Hals legen und dann versuchen, sie näher zu den großen Bäumen zu führen. Solange sie schwimmt und sich nicht wehrt, sollte es mir gelingen, sie dahin zu bringen, wo ich sie haben will.«
Sedric wusste, dass er sie nicht retten konnte. Sie würde sterben. Wenn Jess sein Vorhaben durchzog, hätte sie wenigstens einen schnellen Tod. Und er hätte einen Sinn, denn mindestens einer von ihnen würde danach ein angemessenes Leben führen können. Der Jäger würde sie nicht leiden lassen, so hatte er es jedenfalls gesagt.
Gefahr? Relpda beobachtete den Jäger, der die letzten Schritte auf sie zuging. Welche seiner Gefühle konnte sie erfassen?
Der Jäger hatte sie fast erreicht. Er balancierte inzwischen auf dem breiten Ende des Stamms, nahe den schlammig aufragenden Wurzeln. Er wickelte das Seil ab und beäugte dabei die Drachin. Sedric fiel auf, dass er noch immer den Fischspeer in der Hand hielt. Sein stechender Blick huschte von der Drachin zu Sedric und wieder zurück. Dann maß er das Seil anhand ihres Halses ab. »Haltet sie jetzt ruhig«, schärfte er Sedric ein. »Das Seil ist nicht sehr lang. Wenn ich es einmal um ihren Hals geschlungen habe, muss ich sie ziemlich nahe an die Bäume heranzerren. Denn nur so bleibt ihr Kopf hinterher über Wasser.«
Nichts davon war seine Tat. Er war zwar zugegen, aber er konnte das Geschehen nicht aufhalten. Würde er es versuchen, wäre Jess sicherlich imstande, auch ihn zu töten. Davon hätte die Drachin auch nichts. Es war ihr unausweichliches Schicksal. Und Sedric sah dabei zu, denn er spürte, dass er ihr das schuldig war, dass er es bis zum Ende miterleben musste. Es tut mir leid, dachte er und erhielt als Antwort lediglich Verwirrung.
»Na schön, ich bin so weit.« Jess hielt eine große Schlinge seitlich am Körper. Den Fischspeer hatte er sich so lange unter den Arm geklemmt. »Sagt ihr, dass sie mir ihren Kopf entgegenstrecken soll. Langsam. Sagt ihr, dass ich ihr helfen werde.«
Sedric holte tief Luft. Ihm schnürte sich die Kehle zu. Füge dich in das Unvermeidbare, befahl er sich. »Relpda«, sagte Sedric leise. »Hör mir jetzt zu. Hör mir gut zu.«
Neunzehnter Tag des Gebetsmonds IM SECHSTEN JAHR DES UNABHÄNGIGEN HÄNDLERBUNDS
Von Erek, Vogelwart in Bingtown, an Detozi, Vogelwart in Trehaug Anbei ein Brief des Händlers Wycof an Jos Peerson, den Ersten Maat des Lebensschiffs Ophelia , das bald in Trehaug anlegen wird, mit der Nachricht, dass seine Frau am heutigen Tage Zwillinge geboren hat.
Detozi,
ein Krankheitsfall in meiner Familie zwingt mich dazu, für den Moment alle Pläne, Bingtown zu verlassen, aufzuschieben. Mein Vater ist schwer krank. Ich fürchte, dass meine Hoffnungen, die Regenwildnis zu besuchen und Euch endlich kennenzulernen, fürs
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