Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
Erste auf Eis gelegt werden müssen. Ich bin enttäuscht.
Habt Ihr jemals an einen Besuch in Bingtown gedacht? Ich bin überzeugt, dass Euer Neffe einen solchen sehr begrüßen würde.
Erek
7
Rettung
D ie Nacht verlief so jämmerlich, wie Thymara befürchtet hatte. Die Hüter hatten sich zusammengetan, um eine Art Plattform zu schaffen, indem sie mehrere Lagen Treibholz jeweils quer zueinander aufgeschichtet hatten. Um die unebenen Stämme auszukleiden, hatten sie Blätter abgerissen. Das dadurch entstandene »Floß« war zwar nicht robust, aber es war geräumig genug, um sich darauf zusammenzudrängen und einander zu bemitleiden, während die Moskitos und Stechmücken sich an ihnen labten. Da es keinen ebenen Fleck zum Schlafen gab, hatte Thymara sich auf einen breiten Stamm gebettet. Kurz hatte sie überlegt, in die Bäume zu klettern und dort zu übernachten, aber dann hatte sie sich dafür entschieden, bei den Drachen und den anderen Hütern zu bleiben. Jedes Mal, wenn sie kurz davor war, einzuschlummern, hatte Alums Drache einen klagenden, dröhnenden Schrei ausgestoßen, und sie war wieder erwacht. Viel zu oft waren dann Tränen geflossen. Die leisen Laute, die sie von den anderen vernahm, verrieten ihr, dass sie mit ihren Ängsten nicht alleine war. Gegen Morgen dann konnten weder Leid noch Geräusche und schon gar nicht das Summen, die Stiche und die Astlöcher sie länger wachhalten. Endlich war sie an ihren Albträumen und an ihrem Schmerz vorbei in tiefen Schlaf gesunken und war durchgefroren, steif und vom Morgentau überzogen wieder aufgewacht.
Das Hochwasser ging langsam zurück. Die Höchstmarke an den Bäumen befand sich mittlerweile auf Schulterhöhe. Neben ihr lag Alise ganz klein zusammengerollt und schlief noch immer fest. Einen Platz weiter lag Tats, sein Atem ging keuchend. Thymara fiel auf, dass Jerd an Greft angeschmiegt schlummerte. Kurz beneidete sie die beiden um die Wärme, die sie sich gegenseitig spendeten, verdrängte das Gefühl jedoch sogleich wieder. Das war nichts für sie. Boxter und Nortel saßen am Rand der Plattform, starrten in den überschwemmten Wald und unterhielten sich leise. Die Drachen lagen zusammengesunken auf ihren Schwimmhölzern. Das sah unbequem und gefährlich aus, aber sie schliefen tief und fest. Die Kälte des Wassers und der Schatten der Bäume hatten sie in Lethargie gestürzt. Wahrscheinlich würden sie sich vor dem späten Vormittag oder Mittag nicht rühren.
Thymara stieß Sylve an und flüsterte: »Ich sehe mal nach, ob ich etwas zu essen finde.« Dann suchte sie sich einen Weg durch die schlafenden Kameraden. Von Stamm zu Stamm kletternd, überquerte sie den Treibholzteppich und gelangte zum nächsten großen Baum. Dieser besaß zwar keine Äste in Reichweite, aber mit ihren Klauen konnte sie mühelos an ihm hinaufklettern. Sie fand es seltsam, wie gut es sich anfühlte, wieder in den Bäumen zu sein. Sicherer. Sie mochte noch immer hungrig, durstig und verstochen sein, aber die Bäume waren stets ihre Freunde gewesen und hatten ihr Schutz geboten.
Sie war nicht weit gestiegen, als der Wald ihre Mühen belohnte. Sie fand eine Trompetenranke und trank das honigsüße Wasser aus den Blütenkelchen. Ihre Gewissensbisse dabei waren gering, schließlich hatte sie keine Möglichkeit, die spärlichen Schlucke, die die Blüten boten, zu transportieren. Also trank sie, um wieder zu Kräften zu kommen, und hoffte, später etwas zu entdecken, was sie ihren Freunden bringen konnte. Im Grunde war es auch nicht genug Flüssigkeit, um ihren Durst zu stillen, aber immerhin fühlte sich ihre Zunge nicht mehr wie Leder an. Nachdem sie alle Kelche geleert hatte, kletterte sie weiter.
Erschöpft, wie sie war, musste sie ihre Arme und Schultern anders als sonst einsetzen, und bald nässte die Wunde auf ihrem Rücken wieder. Zwar waren die Schmerzen schon größer gewesen, dennoch spürte sie das Ziehen der Haut jedes Mal, wenn sie nach einem neuen Griff suchte. Ein kleines Rinnsal rann ihr den Rücken herunter, ein äußert unangenehmes Gefühl, doch sie konnte nichts dagegen tun. Zweimal entdeckte sie Vögel, die leichte Beute gewesen wären, wenn sie einen Bogen gehabt hätte. Und einmal ließ sie sich hastig auf einen tieferen Ast hinunter und wechselte den Baum, da sie einer Riesenschlange begegnete, die den Kopf hob und sie interessiert anblickte. In diesem Moment wurde ihr klar, dass es eine kluge Entscheidungen gewesen war, auf dem Floß anstatt in den
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