Raine der Wagemutige
fortrutschte, das Bettlaken mit sich nahm. Er drehte sich um. Sie starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen verständnislos an, während ihr rotgoldenes Haar sich über ihre bloßen Schultern ergoss.
„Nein.“ Favor schüttelte den Kopf. „Das kann nicht sein.“
„Doch. Es ... es tut mir so Leid.“
„Leid? Lieber Himmel, darum kennst du dich in der Burg so gut aus, und deshalb weißt du von dem Schatz und über Carr und was er getan hat Bescheid und . . . warum?“ Dieses letzte Wort war ein Mitleid erregendes, herzzerreißendes Flüstern. „Warum?“
„Ich wollte nicht, dass Carr erfährt, dass ich auf Wanton's Blush bin. Dann fand ich dich hier und entdeckte später, wer du warst. Ich schulde dir mein Leben, Favor. Ich dachte, dass, wenn du meinen Namen weißt, du mir nicht erlauben würdest, dir zu helfen . . . “
„Helfen?“ wiederholte sie ungläubig und hob das erbärmliche Laken, als könnte sie sich damit irgendwie vor ihm verbergen. „Und indem du mich zu einer Ehebrecherin gemacht hast, willst du mir geholfen haben? Indem du deinem Vater Hörner aufsetzt?“
Sie rutschte zur Bettkante auf der anderen Seite und wich weiter vor ihm zurück. In ihren Augen stand unverhohlenes Entsetzen.
„Raine!“ Gunna schloss die Tür hinter sich und kam ins Zimmer gehumpelt.
„Du hast gesagt, du würdest mit einem Mittel dafür sorgen, dass er krank bleibt!“ sagte Raine verzweifelt, ohne seinen Blick von Favor zu wenden, die ein Stück von ihm entfernt zitternd dastand. „Dass er im Bett bleiben würde. Wahrscheinlich hast du etwas Falsches gehört. Er ist bestimmt immer noch krank.“
„Nein“, widersprach Gunna. „Ich habe ihn selbst gesehen. Er muss heute Morgen das Wasser mit dem Mittel nicht getrunken haben. Wenn Carr Euch hier findet, wird er Euch töten!“
Ein Schluchzer entrang sich Favors Kehle, fegte alle anderen Überlegungen beiseite. „Was für eine höllische Familie ist das? Hast du etwa, mit mir zu schlafen, nachdem er mich geheiratet hatte, als Möglichkeit angesehen, ihm die Jahre heimzuzahlen, die er dich im Gefängnis hat schmachten lassen?“
„Nein, Favor, ich schwöre, so war es nicht.“ Er streckte seine Hand aus; nur an ihrem Gesichtsausdruck erkannte er, dass er immer noch nackt war. Mit einem wütenden Knurren sprang er auf, griff nach seinen Hosen und streifte sie sich über. Gunna packte ihn am Arm. „Raine!“ Verärgert schüttelte er sie ab und ging auf Favor zu. Sie wich vor ihm zurück, und Angst und Entsetzen verdunkelten ihre hübschen Züge. „Nein. Nein. Oh, Gott, wie konntest du nur?“
Er konnte nicht anders, als ihr jetzt die Wahrheit zu sagen, obwohl Gunna hinter ihm wartete. „Du bist keine Ehebrecherin, Favor.“
„Was?“ flüsterte Favor.
„Letzte Nacht hast du mich geheiratet, nicht ihn, Favor. Nicht Carr.“
„Nein!“ hauchte sie. „Das ist unmöglich.“
„Doch. Es stimmt. Gunna hat Carr betäubt, während ich zu einem Kloster, ein Stück südlich von hier geritten bin. Die Äbtissin dort war mir noch etwas schuldig. Darum hat sie zugestimmt, mir zu helfen, und hat ihren Priester hergesandt.“
„Aber . . . aber der Kammerdiener . . .“ Sie zitterte nun, alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen, und ihre Haut war so weiß wie frisch gefallener Schnee. Er sehnte sich danach, sie in seine Arme zu ziehen, machte unwillkürlich einen Schritt auf sie zu und sah, wie sie mit den Augen nach einem Fluchtweg suchte. Er musste weiterreden, versuchen, zu erklären.
„Rankle war in Wahrheit mein Stellvertreter und wusste, dass er zwar vorgeben sollte, dich an Carrs Stelle zu heiraten, er es in Wirklichkeit jedoch statt meiner tat.“ „Warum?“
„Du hast gesehen, wie Carr seine Dienstboten behandelt. Rankle war nur zu froh, es ihm heimzuzahlen.“
„Aber die Urkunde! Muira hat doch gesagt, alles wäre in Ordnung! “
„Muira hat nur gesehen, was sie sehen wollte. Die Urkunde, in der R. Merrick als dein Gatte genannt wird. Es steht nichts vom ,Earl of Carr' darin.“
„R. Merrick. Raine Merrick.“ Sie schwankte ein wenig. „Ich konnte einfach nicht zulassen, dass du ihn heiratest, Favor. Er hätte dich umgebracht. Dieser Plan, dieser hirnverbrannte, zum Scheitern verurteilte Plan von dir hätte nie aufgehen können.“
„Du hast dafür gesorgt, dass er scheitert. Du hast mich daran gehindert, meine Schuld meinem Clan gegenüber abzutragen“, sagte sie mit neuerlichem Schrecken in der Stimme. „Du hast alles zerstört.
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