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Raketenmänner (German Edition)

Raketenmänner (German Edition)

Titel: Raketenmänner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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Ende, ließen die Kassette stumm durchlaufen, bis sich das Gerät mit einem Klacken selbst ausschaltete.
    »Ich finde«, sagte Sabolewski in die Stille hinein, »du solltest ein bisschen mehr sein wie ich.«
    Kobusch lachte leise auf. »Mag sein. Und du dafür ein bisschen mehr wie ich.«
    Sabolewski nahm einen Schluck Bier und dachte nach.
    »Nee, lass mal«, sagte er.

Was jetzt?
    Ritter schwitzte. Sein Hemdkragen drohte ihn zu erwürgen, mit der Krawatte als Komplizin. Das weiße Hemd kratzte an den Oberarmen und auch überall sonst, wo es die nackte Haut berührte. Es wirkte steif wie aus Holztafeln zusammengeleimt. Das Jackett seines grauen Anzuges lastete ihm auf den Schultern wie Plutonium, und das Gefühl, das ihm der dünne Stoff seiner Anzughose auf den Beinen machte, hatte etwas flächendeckend Karzinogenes. Er war sich sogar seiner Socken und der Schuhe bewusst, und beides sollte man doch eigentlich tragen, ohne daran zu denken.
    Der Vortrag über neue Herstellungsverfahren von Solarpanels war langweilig. Der Referent referierte monoton und leiernd. Ritter fühlte sich vom Muster des Teppichbodens beobachtet. Es war ohnehin alles egal, die Firma ging den Bach runter. Bald würde man anfangen, Leute zu entlassen, das war ein offenes Geheimnis. Frohnberg sah schon immer zu ihm herüber. Du wirst der Erste sein , sagte sein Blick. Wenn Frohnberg ihn ansah, leerte sich Ritters Kopf wie auf Knopfdruck. Morgen würde er selbst da vorne stehen und reden müssen. Bei solchen Gelegenheiten fühlte er sich wie ein Widerstandskämpfer vor einem Erschießungskommando.
    Wenn Ritter in seinem Büro saß, musste er immer damit rechnen, dass plötzlich Frohnberg in der Tür stand. Frohnberg war ein Kontrollfreak. Und er suchte Material, das er gegen Ritter verwenden konnte. Manchmal rief er Ritter auf dem Diensthandy an, stellte eine nichtige Frage zu dem, woran Ritter gerade arbeitete, und versuchte herauszubekommen, wo er sich genau aufhielt.
    Der Vortrag dauerte ewig, aber irgendwann war er zu Ende. Die Erleichterung war auch allen anderen anzumerken. Man streckte sich, man gähnte, man sprang auf und öffnete möglichst viele Fenster. Vor dem Konferenzraum Potsdam versammelten sich die, die nicht genug voneinander bekommen konnten, um Blumberg und Reif, die gleich lautstark über den Referenten herzogen und damit alle zum Lachen brachten. Teufelskerle, die zwei. Wenn die Firma unterging, würden sie zu den Überlebenden gehören.
    Ritter machte, dass er auf sein Zimmer kam, klappte seinen Laptop auf und sah sich noch einmal die Power-Point-Folien für den morgigen Vortrag an. Es würde der letzte im Rahmen dieser Tagung sein. Sie würden ihn fertigmachen und anschließend alle ins Wochenende fahren. Er kratzte sich an Armen und Beinen, aber das Jucken hörte nicht auf.
    Er klappte den Rechner zu und legte ihn in den kleinen Safe, der in den Kleiderschrank eingebaut war. Weil er die nächsten zwei Stunden nicht erreichbar sein wollte, schon gar nicht für Frohnberg, legte er sein Mobiltelefon gleich dazu. Er gab eine vierstellige Ziffernkombination ein, und das kleine Display meldete LOCKED .
    Rechner weg und Telefon weg. Ritter war nun unerreichbar. Er notierte sich die vier Ziffern und steckte sich den Zettel in die Jacketttasche.
    Als er zum Fahrstuhl ging, verfluchte er sich zum wiederholten Mal dafür, dass er nie daran dachte, bequemere Sachen auf so eine Tagung mitzunehmen. Er kam einfach nicht heraus aus dieser Firmenhaut.
    Er fuhr nach unten, durchquerte die Lobby, ohne auf anwesende Kollegen zu achten, trat auf die Straße und versuchte durchzuatmen, aber solange er diesen Anzug trug, litt er an Firmen-Asthma, da war nichts zu machen.
    Ein paar Meter die Straße hinunter war auf einer Verkehrsinsel der Eingang zur nächsten U-Bahn-Station. Es war jede Menge los. Gemüsehändler ordneten ihre Ware. Vor einem Café saßen Männer und tranken Tee aus kleinen gläsernen Tassen. Musste man die nicht eigentlich Gläser nennen? Für Ritter waren es aber eher Tassen. Wieder etwas, worüber man nachdenken konnte.
    Er überquerte die Straße und ging die Treppe hinunter, die direkt auf den Bahnsteig führte. Als er vor dem Automaten stand, tauchte plötzlich eine junge schwarz gekleidete Frau neben ihm auf und fragte, ob er eine Fahrkarte brauche. Ritter betrachtete sie. Vielleicht etwas über zwanzig. Ihre Augen waren fast so schwarz wie ihre Hose und ihre Jacke. Auch ihre Haare waren schwarz. Dichtes, dickes

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