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Raketenmänner (German Edition)

Raketenmänner (German Edition)

Titel: Raketenmänner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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reagierte nicht. Die mit den stacheligen Haaren fragte ihn, woher er die Fahrkarte habe. Ritter erzählte es ihr. Sie schüttelte den Kopf über so viel Blödheit.
    Ritter spürte Juckreiz von Kopf bis Fuß.
    »Ich übernehme die Verantwortung«, sagte er, obwohl das natürlich ein sehr dummer Satz war, wie ihm gleich klar wurde. Von wem sollte er die Verantwortung übernehmen? Sie war nie im Besitz eines anderen gewesen.
    Die Stachelige füllte ein Formular aus.
    »Wie geht es weiter?«, wollte Ritter wissen und kratzte sich an der Schulter.
    »Sie kriegen einen Überweisungsträger und entrichten damit das erhöhte Beförderungsentgelt.«
    Ritter wollte die Sache am liebsten so schnell wie möglich aus der Welt schaffen. »Können wir das nicht bar erledigen?«, fragte er und kratzte sich unter dem Arm.
    Die Stachelige sah ihn an, als wollte er sie bestechen. Vielleicht hoffte sie das auch. Aber sicher war er sich nicht.
    »Wir machen eine Anzeige«, sagte sie. »Das ist Vorschrift.«
    Ritter, der noch nie angezeigt worden war, meinte, das sei in Ordnung, schließlich habe er sich wie ein Idiot benommen. Alle hörten es, niemand widersprach. Er kratzte sich am Oberschenkel.
    »Haben Sie ’ne Krankheit oder was?«, fragte die Stachelige in der gleichen Lautstärke, in der sie auch alle anderen Fragen und Feststellungen ausgestoßen hatte.
    »Nein, nein, das ist der Anzug«, sagte Ritter. »Und das Hemd.«
    »Waschen, nicht kratzen!«, sagte die Stachelige.
    »Übrigens«, lenkte Ritter ab, »bin ich vorhin schon mal kontrolliert worden, aber ihr Kollege hat mich durchgewunken.«
    Diese Nachricht machte die Stachelige richtig nervös. Sie wollte wissen, wer das gewesen sei, wie er ausgesehen, was er getragen habe, oder ob Ritter sonst irgendwelche Angaben zur Person machen könne, unveränderliche Kennzeichen, Narben, Missbildungen oder Ähnliches. Da konnte Ritter aber nicht weiterhelfen, er hatte nur den abgegriffenen TV -Krimi-Klassiker Es ging alles so schnell zu bieten. Die Stachelige schüttelte den Kopf. Amateure, wo man hinsah, schien sie zu denken.
    Dann war Ritter entlassen. Er ging die Treppe hinunter und überquerte die Straße. Er hatte den Eindruck, alle starrten ihn an. Er war umgeben von lauter Frohnbergs, männlich wie weiblich. Er war naiv und dumm und unfähig, in der Großstadt zu überleben.
    Kathrin erwartete ihn in diesem Einkaufszentrum, das zu Ritters Verwunderung Das Schloss hieß. Natürlich erinnerte ihn das an Kafka. Bevor er in die Energiebranche abgerutscht war, hatte er tatsächlich mal Germanistik studiert. Das Shopping-Schloss war allerdings das absolute Gegenteil von dem im Buch.
    Kathrin hatte eine Eisdiele als Treffpunkt vorgeschlagen. Statt einer Begrüßung sah sie nur demonstrativ auf die Uhr. Ritter entschuldigte sich und beugte sich zu ihr hinunter, um ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange zu geben. Als er ihr den Grund für seine Verspätung mitteilte, schüttelte sie den Kopf, zeigte sich aber auch ein wenig belustigt. Sie war zehn Jahre älter und ließ ihn das gerne spüren.
    Sie fragte ihn, wie es in der Energiebranche laufe, obwohl es sie eigentlich nicht interessierte. Ritter erzählte ein paar Belanglosigkeiten, ließ sich sogar zu abfälligen Bemerkungen über Frohnberg hinreißen, aber die quittierte seine Halbschwester nur mit verächtlichem Schnauben. Was wusste er schon von Problemen! Nachttöpfe ausleeren, Todkranke betreuen, Kinder sterben sehen – das war ihr Alltag.
    Ritter hielt nach einer Bedienung Ausschau, konnte aber keine entdecken.
    »A propos todkrank«, sagte Kathrin. »Hast du in letzter Zeit mal was von unserem Vater gehört?«
    »Er ist nicht todkrank«, entgegnete Ritter.
    »Er tut aber immer so.«
    »Solange er so tun kann, geht es ihm gut.«
    »Also nichts gehört?«
    »Habe mal mit ihm telefoniert, da war er ganz munter.«
    »Klar, der hockt in Südfrankreich in der Sonne, und wir haben hier dieses ganze miese Wetter.«
    »Gestern Abend war es doch ganz schön.«
    »Ja, aber sonst. So allgemein.«
    »Dafür kann er ja nun nichts.«
    »Er ist doch sonst für alles zuständig. Hast du schon gekündigt?«
    Kathrin war immer berühmt gewesen für ihre abrupten Themenwechsel.
    »Warum sollte ich?«
    »Weil du deinen Job hasst.«
    »Auch ich muss Miete zahlen.«
    Ritter dachte, dass Kathrin ihren eigenen Job auch hasste, aber neben vielen anderen Neurosen auch noch unter einem Helfersyndrom und einer Elendssehnsucht litt.
    »In fünf Jahren

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