Raketenmänner (German Edition)
bist du vierzig. Deine Freunde von der Uni versauern wenigstens in schlecht bezahlten Kreativberufen oder fahren Taxi und schreiben nebenher Romane. Und du läufst in einem Anzug herum, der aussieht, als würde er jemand anderem gehören. Du bist kein Anzugtyp! Wie bist du da überhaupt reingeraten?«
»Als ich da angefangen habe, ging es der Solarbranche noch gut. Ich dachte, Sonne, das ist eine gute Sache.«
»Glückliche Bäume, glückliche Frösche. Aber unglückliche Ritter ohne Rüstung!«
Noch immer war keine Bedienung in Sicht.
»Unsere Mütter haben neulich miteinander telefoniert«, wechselte er nun das Thema.
»Ja, ein Herz und eine Seele!«
»Ist doch schön.«
»Und Frauen?«, fragte Kathrin.
»Was ist damit?«
»Hast du welche? Oder wenigstens eine?«
Ritter holte Luft. »Allerdings.«
Kathrin zeigte sich überrascht. »Ernsthaft?«
»Es ist noch ganz frisch.«
»Wie hast du sie kennengelernt?«
»In der U-Bahn.«
»Nein!«
»Doch. Sie hat mir einen Fahrschein geschenkt, der noch gültig war.«
Kathrin verengte die Augen. »Das denkst du dir doch aus!«
»So was Blödes erfindet man nicht.«
»Wie alt ist sie? Was macht sie?«
»Sie ist etwas jünger, vielleicht Mitte zwanzig.«
»Du weißt nicht genau, wie alt deine Freundin ist?«
»Wir kennen uns noch nicht so lange.«
»Hat sie einen Job?«
»Sie arbeitet in so einer Internet-Firma.«
»Ich hoffe, das ist nicht wieder so eine Tussi wie die letzte.«
»Sie ist jedenfalls nicht blond.«
»Das ist schon mal gut.«
»Sie hat lange schwarze Locken.«
»Ja, ja, ist gut. Auf Details kann ich verzichten.«
Ritter schwieg und sah sich um. Es schien hier gar keine Bedienung zu geben. Auch hinter dem Tresen war niemand. Die anderen Gäste saßen aber vor Kaffeetassen und Eisbechern. Hat doch ein bisschen was von Kafka, dieses Schloss , dachte er.
»Ich war auch mal wie du«, sagte Kathrin. »Ich habe auch mal daran geglaubt, dass es klappen kann.« Wieder sah sie auf die Uhr. »Ich muss los.«
»Wir haben gar nichts getrunken.«
»Deshalb komme ich so gerne her. Manchmal kann man hier eine ganze Stunde sitzen und den Leuten zusehen, ohne dass man von einer Bedienung belästigt wird.«
Sie verabschiedeten sich und gingen ihrer Wege.
Noch im Schloss kaufte Ritter sich eine Fahrkarte und nahm in einem Thai-Imbiss ein schnelles Mittagessen ein.
Auf dem letzten Teilstück, nur eine Haltstelle, bevor er aussteigen musste, wurde er in der U-Bahn zum dritten Mal an diesem Tage kontrolliert, diesmal von drei Angehörigen einer Sicherheitsfirma, die Uniformen trugen und einen Schäferhund mit Maulkorb bei sich führten.
Er kam gerade noch rechtzeitig zum Fünfzehn-Uhr-Meeting. Die Luft im Raum Potsdam war schon wieder genauso schlecht wie am Morgen. Frohnberg musterte ihn, als wäre er enttäuscht, dass Ritter wirklich auftauchte. Blumberg und Reif hielten einen Strategie-Vortrag, den sie mit viel Humor und sogar Musik würzten. Selbst die Kellnerin, die zwischendurch Getränke brachte, wurde einbezogen und musste lächeln. Blumberg und Reif hatten leichtes Spiel, für sie gab es keine schweren Gegner.
Morgen war Ritter fällig. Er würde da vorne stehen, mit offenen Augen, und sie würden auf ihn anlegen. Und Frohnberg würde ihm den Fangschuss geben. Der war bestimmt Jäger und wusste, wie das ging.
Dabei war sowieso alles sinnlos. Die meisten der Anwesenden würden in ein paar Wochen auf der Straße stehen.
Beim anschließenden Abendessen stand Frohnberg plötzlich am Büfett neben ihm und fragte, wie Ritter seine Mittagspause verbracht habe. Ritter fiel wieder auf, dass Frohnberg ziemlich groß war. Mit diesen Schultern wusste man wahrscheinlich schon sehr früh, dass man mal richtig was zu sagen haben würde.
»Sie haben gegen Viertel nach zwölf das Hotel verlassen«, sagte Frohnberg.
Ritter wollte schon seine Fahrkarte vorzeigen.
»Später habe ich versucht, Sie anzurufen.«
»Ich hatte mein Telefon im Hotel vergessen. Ich habe mich mit meiner Schwester getroffen«, sagte Ritter, als hätten diese beiden Fakten miteinander zu tun.
»Ach, Sie haben eine Schwester? Hier in Berlin?«
»Eine Halbschwester.«
»Interessant.«
»Sie ist Krankenschwester.«
»Ihre Schwester ist also Schwester.« Frohnberg schien das witzig zu finden.
»Halbschwester.«
»Natürlich. Halb Schwester, halb Krankenschwester.« Frohnberg war sehr zufrieden mit seinem Humor.
»Sie arbeitet Vollzeit«, antwortete Ritter und kam sich gleich
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