Raketenmänner (German Edition)
angenommen haben.«
»Der war immer schlauer als wir alle zusammen. Deshalb ist der auch ständig Deutscher Meister geworden. Als Spieler, als Trainer, als Präsident.« Krupke wollte eigentlich gar nicht darüber reden. Es stimmte auch nicht, dass der Bröker ihn angerufen hatte. Aber er wollte hier nicht den kompletten Vollidioten geben. Bisschen Kontakt zur Spitze musste sein.
Nach ein paar Sekunden sagte Kamerke: »Wegen dieser Angelegenheit ist damals Ihr Transfer zu den Bayern geplatzt. Sie wären Deutscher Meister geworden. Dreimal Europapokal der Landesmeister hintereinander. Die große Zeit.«
Stattdessen das Saufen und das Zocken, das meinst du doch, dachte Krupke. Er sagte: »Vielleicht hätte ich mir auch beim Aussteigen aus dem Bus das Bein gebrochen. Man weiß es nicht.«
Kamerke nickte und trank Kaffee.
»Sie wollen wissen, ob ich was bereue?«, fragte Krupke.
Kamerke sah ihn an.
»Scheiße«, sagte Krupke und sah weg. »Jeden einzelnen beschissenen Tag, den die Nummer eins da oben mir aufdrückt«, sagte er leise. »Jeden einzelnen beschissenen Tag.«
»Man sagt, Ihre Ehe sei daran kaputtgegangen.«
»Meine Ehe ist aus dem gleichen Grund kaputtgegangen, aus dem ich das Geld angenommen habe: Ich war ein Arschloch.«
»Und heute?«
»Heute bin ich Platzwart.«
Aus dem Vorraum lachte Lortzig.
»Halb fünf«, sagte Krupke mit einem Blick auf die Uhr. »Sehen wir uns mal an, wie die trainieren.«
Krupke ging vor, der Reporter folgte.
»Wann erscheint die Geschichte eigentlich?«
»Nächste Woche«, sagte Kamerke. »Wir schicken Ihnen gerne Belegexemplare. Außerdem kommt ja morgen noch der Fotograf.«
Stimmt, dachte Krupke. Dieser Kamerke macht ja gar keine Fotos. Da werde noch ein Fotograf kommen, hatte er am Telefon gesagt.
»Morgen? Wenn das mal nicht zu spät ist.«
Kamerke sah ihn fragend an, aber Krupke grinste bloß.
Krupke war froh, dass heute der Stauff mit seiner E1 auf dem Platz war. Den Sydlowski, der die D trainierte, bekam besser kein Journalist zu sehen und zu hören. Der schrie mit seinen Spielern rum wie der Spieß auf dem Kasernenhof. Ließ noch stumpf mit Libero spielen. Behauptete, Viererkette bringe nichts, weil die Schiris zu schlecht seien und ständig das Abseits der Gegner übersähen. Krupke war sicher, dass Sydlowski einfach keine Ahnung hatte, wie er das trainieren sollte. In den letzten Monaten hatten fünf Spieler den Verein verlassen, und zwar nicht die schlechtesten.
Stauff hatte mit seinen zwölf Spielern zwei Kreise gebildet, mit je einem Jungen in der Mitte, dem Schweinchen . Die Äußeren passten sich den Ball mit maximal zwei Ballkontakten zu, das Schweinchen musste ihn kriegen. Die Jungs in der Mitte kamen gut ins Laufen.
Sie sahen eine Weile zu, wobei Kamerke noch ein paar harmlose Fragen stellte. Krupke haute einige Anekdoten raus. Außerdem wollte Kamerke wissen, wie er den modernen Fußball finde und dass die Spieler so irrsinnig viel Geld verdienten.
Krupke lachte kurz auf. »Wir hätten das Geld auch genommen! Und für ein Taschengeld haben die Großen damals auch nicht gespielt. Ich kann dieses Gejammer nicht hören, früher wär alles besser gewesen. Hör doch auf!« Krupke schüttelte den Kopf. »Wohnst du hier in der Nähe?«
Kamerke hob die Augenbrauen. »Nein«, sagte er.
»Wir könnten hier noch Hilfe gebrauchen.«
Kamerke wandte den Blick zum Platz. Stauff erklärte den Kindern gerade eine anspruchsvolle Passübung.
Sie sahen sich das komplette Training an. Als Stauff seine Jungs zum Umziehen in die Kabinen scheuchte, lotste Krupke Kamerke wieder ins Vereinsheim. Lortzig stand hinterm Tresen und stellte ihnen ungefragt zwei Bier hin. Etwas zu laut fing Lortzig an, wie er es nannte, die Abenteuer eines Platzwartes zum Besten zu geben. Wie sie den Anbau für den Rasentraktor gebaut hatten. Wie sich einmal vier Spieler Freitagnacht im Kabinentrakt hatten einschließen lassen, um sich hemmungslos zu besaufen. Und wie Krupke am nächsten Morgen – Samstag, um elf spielten die Minikicker – die Dusche angestellt hatte, um das Pack zu wecken. Und wie er sie ihr Erbrochenes mit den Händen hatte wegschaffen lassen, um ihnen zu zeigen, wo der Hammer hängt.
»Und weißt du noch«, fuhr Lortzig grinsend fort, »wie dieser ehemalige Bundesligatrainer eine Einheit mit der Ersten Mannschaft gemacht hat? Und da wurde klar, dass der Typ nicht die geringste Ahnung von Fußball hatte. Peinlich war das!«
Krupke und Kamerke wechselten einen
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