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Raketenmänner (German Edition)

Raketenmänner (German Edition)

Titel: Raketenmänner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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hielt die Luft an. Es klopfte noch mal. Dann war eine Stimme zu hören. Krupke atmete aus und ging zur Tür. Draußen stand der alte Janowitz, nach dem sie in Berlin eine Brücke benannt hatten. Jedenfalls behauptete er das, seitdem er mal von der U-Bahn-Station Jannowitzbrücke gehört hatte. Dass die einen Buchstaben mehr im Namen hatte, störte Krupkes Nachbarn nicht. Fehler der Behörde.
    »Hallo junger Mann«, sagte der alte Janowitz, der auch nur fünf Jahre älter war als Krupke, »mir haben sie mal wieder den Schlüssel geklaut.«
    Das war Janowitzens Umschreibung seiner Angewohnheit, das Ding ständig zu Hause zu vergessen. Krupke hatte deswegen ein zweites Exemplar anfertigen lassen und bei sich deponiert.
    »Alles Verbrecher«, sagte Krupke, nahm den Schlüssel vom Haken, begleitete Janowitz eine Treppe nach unten und schloss ihm auf. Janowitz bedankte sich, und als Krupke wieder nach oben ging, hörte er, wie hinter ihm zweimal abgeschlossen wurde.
    In seiner Wohnung nahm er sich ein Bier aus dem Kühlschrank und setzte sich wieder vor den Fernseher. Natürlich war der Anruf ein Witz gewesen. Es wäre albern, etwas anderes zu vermuten. Das war hier kein Krimi. Und einundsiebzig war doch heute kein Alter mehr.
    Trotzdem brachte ihn die Sache zum Nachdenken.
    Wäre er bereit abzutreten? Natürlich nicht. Er hatte viel falsch gemacht. Daran war er erst vor ein paar Tagen wieder erinnert worden, als dieser Reporter ihn angerufen hatte. Der schrieb an einem Artikel über die Sache damals. Krupke hatte noch nie darüber gesprochen, jedenfalls nicht öffentlich. Er wusste selbst nicht, warum er eingewilligt hatte, sich heute Nachmittag mit dem Mann zu treffen. Irgendwie hofft man ja doch immer, dachte er, dass man noch ein paar Punkte gutmachen kann, dass unterm Strich am Ende eine schwarze Null steht, wenigstens ein Unentschieden, ein Punkt im Kampf gegen den Abstieg.
    Er war gerade wieder weggedämmert, die Flasche in der Hand, da weckte ihn hektisches Gestöhne. Das aber sofort verstummte, als er den Fernseher ausschaltete. Krupke wünschte sich das Testbild und das darauf folgende Rauschen zurück. Irgendwann musste auch mal Schluss sein. Er kippte das restliche Bier weg und ging schlafen.
    Als es an der Tür klopfte, saß er augenblicklich senkrecht im Bett, kalten Schweiß auf der Stirn. Er hatte von seiner zweiten Frau geträumt, die dreimal auf einen Holztisch geklopft hatte und dann mit einem Fleischermesser auf ihn losgegangen war.
    Es war fünf nach neun. Krupke zog seinen Bademantel an und öffnete nach kurzem Zögern die Tür. Um fünf nach neun wurde man nicht getötet. Draußen stand der Briefträger, den er seit Jahren kannte, ohne dass er ihn beim Namen hätte nennen können. Er reichte Krupke einen Stapel Werbung. Der Mann war in Ordnung, er brachte den Leuten die Post an die Tür, weil die metallenen Briefkästen unten allesamt aufgebogen oder abgerissen worden waren und die Hausverwaltung keine neuen anbrachte.
    »Schlechte Nacht gehabt?«, wollte der Mann wissen.
    »Nicht schlechter als sonst.«
    »Du siehst nicht gut aus.«
    »Ich werde heute sterben«, sagte Krupke, und der Briefträger lachte.
    Krupke legte die Prospekte auf den Wohnzimmertisch und stellte sich ans Fenster. Die Dönerbude hatte schon wieder geöffnet. Oder immer noch. Wer haut sich um diese Zeit einen Döner rein?, dachte Krupke. Er ging hinüber zu seiner Küchenzeile, setzte Kaffee auf und ging duschen. Anschließend machte er sich ein Spiegelei auf Brot. Das hatte er schon lange nicht mehr getan. Aber wenn es heute wirklich zu Ende ging, musste man sich vorher noch mal was gönnen.
    Nach dem Frühstück ging er für die alte Beierle einkaufen. Er nannte sie bei sich immer die alte Beierle , obwohl sie genauso alt war wie er. Die Zeit hatte es mit ihr aber nicht so gut gemeint. Die Zeit oder chemische Abläufe im Gehirn. Bente hatte ihm das mal erklären wollen, aber Krupke hatte nicht richtig hingehört. Wenn man auf dem Weg in den Nebel war, brachte es einem nichts, wenn man wusste, wie der Nebel entstand. Die alte Beierle hatte keine Verwandten. Wenn sie selbst einkaufen ging, war die Gefahr groß, dass sie es im Nachthemd tat, statt Bananen Glühbirnen kaufte und sich zu Hause aufregte, dass die Schale nicht abging. Krupke wusste mittlerweile, was seine Nachbarin brauchte und was sie mochte. Bananen standen ganz oben auf der Liste. Süßer Stuten für das Frühstück und Doppelback für den Abend.
    Als er mit den

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