Raketenmänner (German Edition)
karierte Plastiktaschen bei sich, die sie zum Wohnzimmertisch trug.
Kamerkes Frau trat näher, während Josepha eine imposante Kollektion bunten Modeschmucks auf dem Wohnzimmertisch ausbreitete. Als Unterlage dienten samtig schimmernde Tücher. Dalila zeigte sich ganz begeistert, auch die Kinder klatschten in die Hände, und alle bedeuteten Kamerke und seiner Frau, doch bitte näher zu treten, um diese einzigartige Sammlung zu betrachten. Kamerkes Frau nahm ein knallrotes Collier, das früher eine Hustensaftflasche gewesen sein mochte, in die Hand und sagte, das sei aber wirklich unheimlich schön.
»Wenn es dir so gut gefällt«, sagte Kamerke, »sollst du es haben.« Er zog sein platt gesessenes Portemonnaie aus der Jeans und fragte Josepha, was sie für dieses wundervolle Stück verlange.
»Das möchte ich Ihrer Frau schenken.«
»Das kommt gar nicht infrage!«, sagte Kamerkes Frau.
»Nein, nein«, fügte Kamerke hinzu.
Daraufhin nannte Josepha einen absurd niedrigen Preis. Kamerke war versucht, ihr mehr zu geben, befürchtete aber, sie damit zu kränken. Er bezahlte, trat hinter seine Frau und legte ihr das Collier um. Sie lächelte und strich mit den Fingern darüber.
Josepha packte den Schmuck wieder weg. Kamerkes Frau sagte, sie hole noch Getränke. Kamerke wartete eine Minute, dann folgte er ihr in die Küche. Sie stand mit dem Rücken zur Glastür, eine Hand auf dem Hustensaft-Collier.
»Ich denke, das habe ich verdient«, sagte sie.
»Wer kriegt schon, was er verdient.«
»Wo warst du überall?«
»Hier und da. Im Dom zu Speyer.«
»Reden wir über Verzeihen?«
»Schönes Thema.«
»Darf ich dir jetzt ewige Treue schwören?«
»Zeit und Mühe reichen.«
Und hinter ihr fiel der Regen in den Garten.
Außer der Adler!
Riedel ärgerte sich. Der Gehsteigabschnitt vor Fergs Haus war perfekt geräumt, da hatte keine Schneeflocke überlebt. Nur mit Besen und Schneeschieber bekam man das nicht hin. Nicht mal, wenn der Besen so harte, rote Borsten hatte wie der, den Riedel erst gestern im Baumarkt gekauft hatte.
Ferg setzte Salz ein, obwohl es verboten war. Es schädigte die Umwelt und tat den Hunden in den Pfoten weh. Deshalb schuftete sich Riedel hier den Rücken krumm. Er hätte seinen Kindern nicht erklären können, warum er nicht nur gegen das Gesetz verstieß, sondern auch noch unschuldige Hunde leiden ließ.
Riedel schaufelte und kratzte weiter. Es war noch nicht mal hell. Die Kinder saßen beim Frühstück. Das hieß, wenn seine Tochter sich mittlerweile erhoben hatte. Vor zwanzig Minuten hatte sie das noch kategorisch abgelehnt.
Ferg kam aus dem Haus und ging zu seinem Auto. »Na, schwer am Schuften?«, rief er. Für seine gute Laune hätte Riedel ihm am liebsten den Schneeschieber über den Schädel gezogen.
Riedel stützte sich auf den Griff des Schiebers. »Bei Ihnen sieht es ja schon sehr ordentlich aus«, sagte er.
»Ich nehme Salz.«
»Das vermeide ich. Wegen der Hunde.«
»So habe ich früher auch gedacht.« Ferg grinste. »Aber dann fiel mir ein, dass ich die Viecher hasse. Ich muss los.«
Ferg schloss sein Auto auf, nahm einen kleinen Besen heraus und fegte den Schnee vom Dach, von den Scheiben und von der Kühlerhaube. Riedel fragte sich, ob Ferg nicht bemerkte, dass der Schnee genau dorthin fiel, wo Riedel gerade geschippt, geschoben und gefegt hatte. Ob es ihm egal war oder ob er es absichtlich machte. Die Kinder hatten schon recht mit dem Spitznamen, den sie dem Nachbarn gegeben hatten: Ferg, das Ferkel.
Philipp und Lukas saßen am Esstisch und schaufelten ihr Müsli in sich hinein. Laura war noch nicht aufgetaucht. Riedel setzte sich zu den Jungs und las ihnen die Kinderseite der Tageszeitung vor. Dazu gehörte auch der Witz des Tages .
»Was sagt der große Stift zum kleinen Stift?«
Die Jungs zuckten mit den Schultern.
»Wachsmalstift!«
»Hä?«, machte Philipp.
»Blödmann«, sagte sein großer Bruder. »Wachs! Mal! Stift!«
Der Kleine begriff und war begeistert.
Lukas sagte, er habe in der Schule einen tollen Witz gehört. »Also, pass auf: Zwei Männer unterhalten sich. Sagt der eine: Boah, ich war letzte Woche in der Wüste und gehe um so eine Düne rum, und da sitzt ein riesiger Löwe und springt mich an und will mich fressen. Sagt der andere Mann: Boah, was hast du denn da gemacht? – Ich bin auf den nächsten Baum geklettert. – Aber in der Wüste gibt es doch gar keine Bäume! – Du, das war mir in dem Moment scheißegal!«
Riedel lachte
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