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Raketenmänner (German Edition)

Raketenmänner (German Edition)

Titel: Raketenmänner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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pflichtschuldigst, obwohl er den Witz schon ein paar Mal gehört hatte. Philipp runzelte die Stirn und meinte: »Du hast gesagt, da sitzt ein Löwe und springt den Mann an. Wie kann der Löwe gleichzeitig sitzen und springen?«
    »Du hast den Witz nicht begriffen!«
    »Der Witz ist blöd!«
    Die Tür ging auf, und Riedels Tochter erschien. Riedel sagte: »Guten Morgen!« Damit schien der Tag für seine Tochter gelaufen zu sein. Mit einem Gesichtsausdruck, den sonst nur Angeklagte in Kriegsverbrecherprozessen hinbekommen, setzte sie sich an den Tisch und nahm sich Müsli und Milch.
    »Ich habe einen Witz für dich!«, sagte Philipp.
    Lauras Miene hellte sich kaum merklich auf, aber sie versuchte sofort dagegen anzugehen. Riedel kannte das: Ihr Vater sollte nicht glauben, dass der Tag doch noch zu retten sei.
    »Raus damit!«, rang sie sich ab.
    »Was sagt der kleine Stift zum großen Stift?«
    »Keine Ahnung.«
    »Äh … Werd’ mal größer!«
    »Du bist so dumm!«, stöhnte Lukas.
    Philipp schossen Tränen in die Augen. »Der Witz stand in der Zeitung!«
    »Ich fand ihn super«, sagte Laura.
    Die beiden Jungs standen auf, um sich die Zähne zu putzen. Vater und Tochter saßen am Tisch und schwiegen. Riedel tat so, als konzentrierte er sich auf einen Artikel im Sportteil. Aus dem Gästebad hörten sie die Jungs, die mit Zahnbürsten im Mund redeten.
    »Was ist Wind?«, fragte Lukas.
    »Weiß nicht.«
    »Das ist Luft, die es eilig hat.«
    Der Kleine spuckte vor Lachen.
    »Du hast Zahnpasta auf dem Pulli!«, rief Lukas.
    »Soll ich dich fahren?«, fragte Riedel seine Tochter. »Sonst wird es knapp.«
    Laura verdrehte die Augen. »Das wird überhaupt nicht knapp! Ich hab’ das im Griff.«
    Riedel ließ sie in Ruhe. Er ging zu den Jungs, half ihnen, die Tornister aufzusetzen, und verabschiedete sie an der Tür. Als er zurückkam, war seine Tochter nicht zu sehen. Kurz darauf hörte er sie die Treppe herunterpoltern und das Haus verlassen. Die Tür schlug hart ins Schloss.
    Riedel räumte den Tisch ab und stellte das Geschirr in die Spülmaschine. Er ging nach oben, ins Bad, das immer noch Elternbad genannt wurde. Er stopfte die Klamotten, die er in den letzten zwei Tagen getragen hatte und die zum Schneeschippen gerade noch gut genug gewesen waren, in den Wäschepuff, duschte und zog sich frische Sachen an. Anschließend holte er einen Korb aus dem Schlafzimmer, das immer noch Elternschlafzimmer hieß, auch wenn das Bett, die Matratzen und der Schrank neu waren, und kippte die Schmutzwäsche dort hinein. Im Zimmer der Jungs las er die Wäsche auf, die sie gestern vor dem Schlafengehen auf den Boden geworfen hatten.
    Er ging zu Lauras Zimmer und klopfte ganz automatisch an. Er schüttelte den Kopf und trat ein. Eigentlich hasste sie es, wenn er in ihrer Abwesenheit ihr Zimmer betrat, sie hatte es ihm aber erlaubt, wenn es darum ging, schmutzige Wäsche einzusammeln, maximal aber zweimal die Woche. Da kam einiges zusammen. Riedel sah sich um. Hier herrschte Chaos. Auf dem Boden Shirts und Tops und Jeans. An den Wänden Poster von Fußballern. Laura war anders als andere Mädchen ihres Alters. In der Yamaha-Anlage, die ihr Onkel ihr zum letzten Geburtstag geschenkt hatte, steckte ihr iPod. Den hatte sie offenbar vergessen. Normalerweise nahm sie ihn mit in die Schule.
    Riedel bückte sich und schaltete die Anlage und den Player ein. Und stand mitten in einem klassischen Konzert. Das Display verriet ihm, dass er das Violinkonzert in D-Dur von Johannes Brahms hörte, mit Lisa Batiashvili als Solistin. Er selbst hielt die Fahne der Rockmusik in dieser Familie hoch, aber seine Tochter war in die Klassik abgerutscht. Er stoppte die Wiedergabe und ging zu ihrem Kleiderschrank. Er wusste, dass sie ein Tagebuch führte und es in einer kleinen Kiste im Schrank versteckte. Er hatte es schon ein paarmal in der Hand gehalten, aber jedes Mal der Versuchung, darin zu lesen, widerstanden. Er wusste nicht, wie lange er das noch durchhielt.
    Diesmal rettete ihn das Telefon im Elternschlafzimmer.
    »Was machst du?«, fragte die Frau am anderen Ende.
    »Ich schnüffele im Zimmer meiner Tochter herum.«
    »Schon wieder?«
    »Du kennst mein Problem.«
    »Aber du löst es nicht, indem du ihr Tagebuch liest.«
    »Der Typ ist siebzehn!«
    »Das muss nichts heißen.«
    »Ich weiß noch, was ich mit siebzehn von fünfzehnjährigen Mädchen wollte.«
    »Aber du hast es nicht gekriegt.«
    »Und ich weiß, was die Väter der fünfzehnjährigen

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