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Raketenmänner (German Edition)

Raketenmänner (German Edition)

Titel: Raketenmänner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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das eigentliche Problem verantwortlich waren, an seinen Kindern zum Beispiel. Also würde er gleich auf dem Weg ins Büro am Supermarkt halten und Müllbeutel besorgen. Und zwar die mit dem Zugband. Seine Frau entschied sich immer wieder für die dünnen, billigen Teile, die etwas kleiner waren, und die man im gefüllten Zustand nicht richtig zubekam, sodass der Müll manchmal auf dem Weg zur Tonne herausfiel. Im Businessanzug auf dem Boden herumkriechen und Müll einsammeln – das war nicht das Bild, das Frohnberg der Nachbarschaft bieten wollte.
    Schon eher das des Denkers im Baumhaus. Er hatte in den letzten Wochen festgestellt, dass das Baumhaus, welches er im vergangenen Sommer für seine Kinder gebaut hatte und für das sie sich jetzt schon nicht mehr interessierten, der ideale Ort zum Nachdenken war. Wenn jemand was von ihm wollte, war dies der Ort, an dem man ihn am wenigsten vermutete. Und in diesem Haus wollte ja ständig jemand was von ihm. Ständig gab es etwas zu besprechen, zu helfen und zu trösten.
    Manchmal hatte er, wenn es draußen schon dunkel war, den Kopf aus der Tür des Baumhauses gesteckt und seine Familie beobachtet, wie sie im Haus einfach so vor sich hin lebte. Da wurde gerannt und geredet, gespielt und gekocht, telefoniert und umarmt. Es hatte so ausgesehen, als brauchten sie ihn gar nicht.
    Eigentlich war sein Traum ein Haus am Meer. Mit den Großeltern war er früher oft an der Nordsee gewesen. Danach war ihm beim Anblick des Meeres immer ganz anders geworden. Er hatte an vielen Meeren gestanden und an jedem das gleiche Gefühl gehabt, egal bei welchem Wetter. Das Meer machte ihn ruhig und gelassen. In diesem Gefühl wollte er leben, irgendwann. Er hatte einen guten Job, und er hatte gespart. Zehn Jahre noch, dann würde es vielleicht reichen.
    »Was stehst du hier am Fenster und starrst in den Garten?«, fragte seine Frau, die gerade geduscht hatte. »Kommst du nicht zu spät ins Büro?«
    »Du hast recht, ich muss los.«
    Frohnberg war zufrieden mit sich. Früher hätte er diese Frage mit einem Nein, nein, das haut schon hin beantwortet, dann aber festgestellt, dass es besser war, seiner Frau so häufig wie möglich recht zu geben. Er hatte das Wort Nein fast komplett aus seinem Wortschatz für eheliche Kommunikation gestrichen. Es funktionierte. Trotzdem war seine Ehe schon besser gelaufen als in den letzten Monaten. In der Firma stand er ständig unter Zeitdruck, aber seine Frau schien nicht glauben zu wollen, dass es nur um die Arbeit ging, wenn er abends spät nach Hause kam, und hatte entsprechende, nur halb im Scherz gemeinte Bemerkungen gemacht. Eine Affäre war jedoch das Letzte, was Frohnberg gebrauchen konnte. Das wurde doch alles überbewertet.
    Er zog sein Jackett an und nahm seine Aktentasche.
    »Ich habe heute Morgen einen Termin beim Arzt, wegen der Ergebnisse des Bluttests. Er will mir heute sagen, ob eine Biopsie nötig ist.«
    »Ich drücke dir die Daumen«, sagte Frohnberg und küsste seine Frau auf die Wange. Sie warf ihm einen Blick zu, den er nicht deuten konnte.
    Während der Fahrt dachte er, dass die Formulierung Ich drücke dir die Daumen vielleicht etwas flapsig und unpassend gewesen war. Dem Ernst der Lage nicht angemessen. Dabei nahm er die Sache nicht auf die leichte Schulter. Im Gegenteil, sie machte ihm Angst. Und diese Angst stand zwischen ihm und den passenden Worten.
    Er parkte auf dem Kundenparkplatz des Supermarktes, ohne die Parkscheibe auf das Armaturenbrett zu legen. Ein bisschen Anarchie musste sein. Er fand die Tüten relativ zügig, nahm gleich fünf Rollen, damit das Thema für die nächsten Monate erledigt war, verlor dann aber viel zu viel Zeit an der Kasse. Er würde zu spät kommen. Dabei hatte er heute einen Termin bei Stolte. Es ging um die letzte Arbeitstagung.
    Die Zeit in diesem Hotel in Berlin war merkwürdig gewesen. Alle hatten krampfhaft versucht, so zu tun, als wüssten sie nicht, wie schlecht es der Firma wirklich ging. Nur bei Blumberg und Reif wirkte die gute Laune echt. Und mittendrin hatte immer dieser Herr Lemming gesessen, von dem niemand wusste, was er eigentlich in der Firma zu tun hatte.
    Natürlich sprang auch noch jede Ampel, auf die Frohnberg zuhielt, auf Rot.
    Als er in die Tiefgarage unter dem Firmensitz fuhr, musste er die Tür öffnen und sich weit hinauslehnen, um seine Park-Karte in das Lesegerät zu schieben. Der elektrische Fensterheber war schon seit Tagen kaputt, aber Frohnberg hatte es noch nicht

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