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Raketenmänner (German Edition)

Raketenmänner (German Edition)

Titel: Raketenmänner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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Entlassene ihre persönlichen Sachen darin wegtragen konnten und auf der Straße gleich als frisch gebackene Arbeitslose zu erkennen waren.
    Frohnberg hatte kaum Persönliches auf seinem Schreibtisch. Eigentlich war da nur ein Bild seiner Frau und seiner Kinder. Ganz klassisch. Das nahm er in die Hand. Die ganze Zeit stand der Sicherheitsmann neben ihm. Als Frohnberg gehen wollte, deutete der Mann auf die Aktentasche. Frohnberg räumte sie aus. Der Sicherheitsmann überprüfte, ob sie auch wirklich leer war. Zusammen fuhren sie schweigend mit dem Fahrstuhl bis in die Tiefgarage. Bevor Frohnberg in den Wagen einstieg, hatte er noch den Parkausweis abzugeben.
    Auf dem Beifahrersitz lagen die Mülltüten.
    Nachdem sich die Schranke hinter ihm geschlossen hatte, wusste Frohnberg zunächst nicht, wohin er fahren sollte. Er konnte aber auch nicht hier in der Einfahrt stehen bleiben. Er bog rechts ab. Nach Hause wäre es linksherum gegangen.
    Die Ampeln machten das Gegenteil von dem, was sie heute Morgen getan hatten: Er fuhr auf sie zu, und sie sprangen auf Grün.
    Arbeitslos , dachte er. Ein absurdes Wort, wenn man es auf sich selbst anwandte. Leute wie er wurden nicht arbeitslos. Sie waren höchstens mal zwischen zwei Projekten.
    Er fuhr in die Innenstadt, und als er vor einem Café einen Parkplatz fand, hielt er spontan an, blieb aber im Wagen sitzen. Er dachte nach: Ein Haus am Meer. Der Blick über das Wasser. Und dann im Haus sitzen und etwas arbeiten, von dem man hinterher sagen konnte: Das bin ich, der das gemacht hat. Und ich bin in dem, was ich da gemacht habe.
    Früher hatte Frohnberg mal versucht, Gedichte zu schreiben, doch das hatte irgendwann aufgehört, er wusste selbst nicht wann und wieso. Als er aber mit dem ICE aus Berlin gekommen war, hatte er zwei Schwäne auf einem Acker in Ostwestfalen gesehen und kurz darauf Verse in die Notiz-App seines Smartphones eingegeben. Frohnberg holte das Gerät hervor und rief die Notiz auf:
    Verkehrte Welt:
Zwei Schwäne im Feld
Kein Wasser in Sicht
Begreife ich nicht
    Weiter war er nicht gekommen, trug es aber immer noch mit sich herum.
    Er wusste, dass Lyriker sich meistens keine Häuser am Meer leisten konnten.
    Die Tür des Cafés, vor dem er stand, ging auf, und eine Frau kam heraus. Sie war vielleicht zwanzig Jahre alt, hatte kurzes blondes Haar und war unauffällig gekleidet. Sie zog einen Koffer hinter sich her, blieb vor der Tür stehen und weinte. Das war Frohnberg unangenehm. Er hoffte, dass sie schnell weiterging. Stattdessen setzte sie sich auf den Boden und schluchzte hemmungslos. Frohnberg fand das nicht gut. Auf der Straße sitzen und weinen war mindestens so dumm, wie im Businessanzug Müll vom Gehsteig zu klauben. Er konnte das nicht mit ansehen und stieg aus.
    »Geht es Ihnen gut?«, fragte Frohnberg.
    Die Frau weinte weiter. »Ich muss zum Bahnhof«, brachte sie hervor.
    Frohnberg sah sich um. Ein älteres Ehepaar kam die Straße entlang. Die würden sich wer weiß was denken, wenn sie ihn hier so sahen. Ein alter Sack mit einer jungen Frau, die Frau weint. Da reimten sich die Leute schnell mal was zusammen.
    »Ich kann Sie hinbringen«, sagte er.
    »Ich kenne Sie doch gar nicht.« Sie wischte sich die Tränen von der Wange.
    »Hier«, sagte Frohnberg und zeigte ihr seinen Personalausweis.
    Sie sah sich das Dokument an und sagte: »Okay.« Sie legte ihren Koffer auf den Rücksitz und stieg auf der Beifahrerseite ein. Frohnberg warf die fünf Rollen Mülltüten auf den Rücksitz.
    Er hoffte, sie würde nicht so etwas sagen wie Alle Männer sind Schweine , um dann über irgendeinen jungen Simpel herzuziehen, der ihr gerade den Laufpass gegeben hatte. Aber sie sagte gar nichts, starrte nur aus dem Fenster. Wenigstens weinte sie nicht mehr.
    Dieser Zustand hielt allerdings nur ein paar Minuten an. Bald schossen ihr wieder die Tränen aus den Augen.
    »Wir sind bald am Bahnhof«, sagte Frohnberg.
    Er hielt an einer Ampel und dachte an seine Frau, weil in dieser Straße die Praxis ihres Arztes war. Frohnberg fragte sich, was die Bluttests ergeben hatten und ob denn nun eine Biopsie nötig war. Er konnte sich das alles nicht vorstellen.
    Die Frau, die gerade vor seinem Auto über die Straße ging, kam ihm bekannt vor.
    Vielleicht deshalb, schoss ihm gleich darauf durch den Kopf, weil ich seit fünfzehn Jahren mit ihr verheiratet bin.
    Kein Zweifel: Das war seine Frau, die da vor dem Auto herging. Und die plötzlich einen Blick nach links warf, sich wieder

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