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Raketenmänner (German Edition)

Raketenmänner (German Edition)

Titel: Raketenmänner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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fügte sie hinzu, »rufe ich an. Wenn nicht, dürfte eine SMS reichen.«
    »Wie du meinst.«
    »Wenn es wieder falscher Alarm ist, komme ich zu deinem Klassentreffen, und wir besaufen uns wie Hulle. Und zu Hause fangen wir eben wieder von vorne an.«
    Sie nahm ihre teure Regenjacke aus atmungsaktivem Funktionsmaterial von der Garderobe in der Diele. »Es soll heute noch regnen«, sagte sie.
    »Sieht nicht danach aus«, antwortete Overbeck.
    »Ganz sicher. Du solltest deine Goretex-Jacke mitnehmen.«
    Ja, sicher, dachte Overbeck. Goretex und Sympatex und atmungsaktiv und alles. Die Illusion, gewappnet zu sein.
    Brigitte nahm auch noch einen Schirm mit.
    Sie fuhr immer mit dem Bus zum Bahnhof und hockte anschließend zwanzig Minuten in der S-Bahn. Sie sagte, es mache ihr nichts aus, sie könne lesen oder Musik hören. Overbeck hätte das nicht ausgehalten. Die paar Mal, die er morgens mit dem Regionalexpress gefahren war, hatten ihm gereicht. Eng und dreckig und stickig. Würde man Tiere so transportieren, würden sich eine Menge Leute aufregen.
    Während er sich anzog, versuchte er, sich zurechtzulegen, wie er Petra Schliefenbaum heute Abend ansprechen würde. Einfach Hallo Petra ? Oder etwas ironischer: Frau Schliefenbaum? Was aber, wenn sie geheiratet und ihren Namen geändert hatte? Aber sie war nicht die Art Frau, die den Namen ihres Mannes annahm. War sie jedenfalls früher nicht gewesen. Andererseits: Schliefenbaum war schon ein ziemlich blöder Name. Egal, wie er sie ansprach, er würde ihr diese eine, ganz einfache Frage stellen, die ihm seit Jahren im Kopf herumging.
    In der Kanzlei sahen alle aus wie immer. Das ging Overbeck schon lange auf die Nerven. Man musste auf die Uhr schauen, um sich zu vergewissern, dass die Zeit verging.
    Den Vormittag verbrachte er mit Diktaten und wälzte Kommentare zum Sorgerecht. Baumermann hatte angedeutet, dass es bei diesem wichtigen Klienten genau darum gehen würde. Genaues wisse er auch nicht. Overbeck hätte sich lieber gezielt vorbereitet.
    Mittags ging er mit zwei Kollegen in die Espresso-Bar ein paar Meter die Straße runter. Sie aßen Sandwiches. Die beiden ließen sich über die neue Empfangsdame aus. Overbeck konnte nicht mitreden, er hatte gar nicht mitbekommen, dass da jemand Neues saß. Was eigentlich unverzeihlich war. Wie konnte man seinen Mitmenschen gegenüber so ignorant sein? Overbeck hatte ein schlechtes Gewissen.
    Während ihres Mittagessens hatte es sich zugezogen. Es sah tatsächlich so aus, als würde es bald regnen. Aber Brigitte war ja vorbereitet. Hatte Schirm und Goretex-Jacke dabei.
    Petra Schliefenbaum hatte nie atmungsaktive Funktionstextilien besessen. Wenn es regnete, wurde sie eben nass.
    Als sie zurückkamen, begrüßte er die Neue so freundlich, dass sie gleich die Stirn runzelte und seine Kollegen Bemerkungen machten.
    Um sechzehn Uhr hatte Brigitte den Termin bei ihrer Frauenärztin, und Overbeck saß einem Paar gegenüber, das sich scheiden lassen wollte. Die beiden betrieben eine Gemeinschaftspraxis für Schönheitschirurgie. Beide hatten volle Lippen, unnatürlich glatte und gebräunte Haut, lächerlich volles Haar und albern weiße Zähne. Sie sahen aus, als hätten sie sich gegenseitig operiert.
    »Erst mal«, sagte Overbeck, »finde ich es gut, dass Sie zusammen gekommen sind.«
    »Das erste Mal seit Jahren«, sagte die Frau. Der Mann blickte aus dem Fenster und schüttelte den Kopf.
    Overbeck überging die Bemerkung und erkundigte sich, ob es einen Ehevertrag gebe. Er dachte an Brigitte und fragte sich, ob sein Leben sich heute von Grund auf ändern würde.
    »Haben wir nicht«, brummte der Mann. »Wir waren jung und blöd, und sie sah gut aus. Heute sind wir nur noch blöd.«
    »Es geht uns auch nicht ums Geld«, sagte die Frau.
    Beiden entströmte ein unfassbares Maß an innerer Hässlichkeit. Overbeck erinnerte sich an eine Werbung aus seiner Kindheit, eine Werbung für eine bestimmte Art von Dragees: Natürliche Schönheit kommt von innen. Ein Komiker hatte den Spot veralbert und Dutzende Dragees ausgekotzt. Diese beiden Mutanten auf der anderen Seite seines Schreibtisches sahen aus, als hätte man sie aus Erbrochenem zusammengesetzt. Wenigstens ging es nicht um Geld.
    »Es geht um die Kinder«, sagte der Mann.
    Natürlich, dachte Overbeck. Es ging immer um die Kinder. Auch wenn der Gedanke, dass diese beiden Wesen sich fortgepflanzt hatten, ihn zutiefst erschreckte. Wahrscheinlich hatte es bei denen damals sofort geklappt,

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