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Raketenmänner (German Edition)

Raketenmänner (German Edition)

Titel: Raketenmänner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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während andere sich jahrelang bemühten, Koitus nach Eisprungzyklen zu unmöglichen Zeiten vollzogen und die Ernährung umstellten. Erregung auf Kommando hatte zwei- oder dreimal ihren Reiz, danach wurde sie erst lächerlich und schließlich demütigend.
    »Sie können sich beim Sorgerecht nicht einigen?«, fragte Overbeck.
    Die beiden sahen sich an.
    »Genau genommen haben wir uns sehr wohl geeinigt«, sagte der Mann.
    »Das ist schön zu hören.«
    »So einfach ist es nicht«, sagte die Frau.
    Overbeck wartete, dass sie ihn aufklärten.
    »Die Sache ist die …«, begann der Mann.
    »Wir wollen die Kinder beide nicht«, sagte die Frau.
    Overbeck verstand nicht.
    »Er will die Kinder nicht. Und ich auch nicht. Die Kinder haben unsere Ehe kaputt gemacht. Die Frage ist, was wir mit ihnen machen sollen. Und wie da die Gesetzeslage aussieht.«
    Overbeck blickte von dem Mann zur Frau und wieder zurück. Er griff in seine Hosentasche und umklammerte das Mobiltelefon. Wenn es nur kurz vibrierte, ginge sein Leben weiter wie bisher. Verkehr um drei Uhr in der Nacht oder in der Mittagspause, voller Hoffnung und Verzweiflung. Wenn es mehrmals vibrierte, würde alles anders werden. Das Telefon machte gar nichts.
    »Wir sind uns darüber im Klaren, dass …«, begann der Mann, als Overbeck nicht antwortete.
    »Geld ist nicht das Problem«, fügte die Frau hinzu.
    Overbeck stand auf und ging quer durch den Raum. Als Kind hatte er oft geträumt, dass unter dem Fenster seines Zimmers im ersten Stock des heruntergekommenen Mietshauses, in dem es immer nach Essen roch, ein offener Jeep hielt und ihm sein Partner in Khaki-Uniform ein Zeichen gab, auf das Overbeck aus dem Fenster direkt auf den Beifahrersitz sprang, sodass sein Partner sofort Gas geben und dorthin donnern konnte, wo sie gebraucht wurden.
    Overbeck ging an den Büros vorbei, in denen die übliche Betriebsamkeit herrschte. Am Empfang saß noch immer die Neue. Overbeck blieb stehen und fragte sie nach ihrem Namen, aber sie runzelte nur wieder die Stirn und sah an ihm vorbei. Da hinten mussten Leute stehen, die ihm nachblickten. Er griff wieder nach dem Mobiltelefon in seiner Hosentasche. Nichts.
    Draußen hatte Regen eingesetzt. Dünner, fieser Sprühregen der knochendurchdringenden Sorte. Overbeck ging einfach geradeaus. Endlich mal wieder nass werden, dachte er. Scheiß auf Goretex und Sympatex und Membranen und Funktionskleidung. Endlich mal wieder einfach leck mich am Arsch .
    Er kam an einem Plattenladen vorbei und ging hinein. Nein, es war kein Plattenladen, sondern ein Elektronikgroßhandel mit großer CD -Abteilung, aber das spielte in diesem Moment keine Rolle. Im Hintergrund rieselte Elton John aus den Lautsprechern. Er streifte durch die CD -Regale. Sie hatten tatsächlich Georgeous George da. Nice Price , eine Schande. Er ging zu einem der CD -Player neben dem Schalter für Konzerttickets und hörte sich The Campaign for Real Rock an. Die ersten Worte nach dem langen Intro klangen wie ein Befehl, den er in den letzten Jahren viel zu konsequent befolgt hatte: Don’t try so hard to be different / The cracks are beginning to show . Er klickte sich durch die ganze CD , die bei ihm zu Hause irgendwo im Keller in einer Kiste vor sich hin gammelte. Von den Smashing Pumpkins hatten sie nur Zeitgeist von 2007, aber damit hatte Overbeck nichts an der Mütze. Aber es wäre auch peinlich gewesen, zu Disarm mitten in so einem Laden loszuheulen. Elton John sang gerade Rocket Man : I’m not the man they think I am at home .
    Draußen war der Nieselregen in einen gleichmäßigen, ergiebigen Landregen übergegangen. Und das mitten in der Stadt, dachte Overbeck. Overbeck holte das Telefon hervor. Drei verpasste Anrufe von Baumermann. Nichts von Brigitte. Er betrat ein Starbucks und merkte der Bedienung an, dass sie ihn am liebsten wieder rausgeschmissen hätte. Er sah aus wie jemand, der mit Mitte dreißig noch freiwillig ohne Gore- oder Sympatex, ohne Membran oder Funktionskleidung, ja sogar ohne Schirm durch den Regen lief, er war verdächtig. Er machte sich den Spaß und bestellte einfach einen Kaffee, erwartete aber, dass diese Studentin ihm die ganze Angebotspalette inklusive aller perverser Geschmacksrichtungen herunterratterte, aber den Gefallen tat sie ihm nicht. Sie stellte ihm einfach eine Tasse schwarzen Kaffee hin. Man konnte sich auf nichts mehr verlassen.
    Er fand noch einen Platz an einem kleinen Tisch am Fenster. Um ihn herum wurde geredet und gelacht. In der

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