Rambo
und dann strammstehen, bis er den Befehl zum Abtreten erhielt, dann schreien: »Alles klar, Sir«, und im Laufschritt ab und schreien: »Adlerschwingen! Adlerschwingen!« Fallschirmsprünge bei Tag in den Wäldern. Bei Nacht in die Sümpfe und dort eine Woche überleben, nur mit einem Messer ausgerüstet. Unterricht mit Waffen, Sprengstoff, Spähposten, Vernehmungen, Nahkampf. Eine Viehherde, auf die er und die übrigen Lehrgangsteilnehmer, nur mit Messern bewaffnet, losgelassen wurden. Mägen und Gedärme auf dem Boden verstreut. Die Tiere lebten noch und brüllten. Ausgehöhlte Kadaver und der Befehl, hineinzukriechen und sich mit Blut zu beschmieren!
Das war es also, wenn man ein »Green Beret« werden wollte. Man konnte am Ende einfach alles ertragen. Aber hier in dem Dschungellager wurde er von Tag zu Tag schwächer, und allmählich fürchtete er, daß sein Körper nicht mehr lange mitmachen würde. Immer mehr Arbeit, immer schwerere Arbeit, immer weniger Essen, immer weniger Schlaf. Vor seinen Augen war alles grau und verschwommen. Er fing an zu stolpern, zu stöhnen und laut mit sich selbst zu sprechen. Nach drei Tagen ohne Essen warfen sie ihm eine Schlange in sein Loch hinunter, wo sie sich im Dreck wand, und sahen zu, wie er der Schlange den Hals umdrehte und sie roh hinunterwürgte. Er behielt nur wenig davon im Magen. Erst später – nach ein paar Minuten, ein paar Tagen, er hatte kein Zeitgefühl mehr – überlegte er, ob die Schlange wohl giftig gewesen war oder nicht. Das und die Insekten, die in seinem Loch herumkrochen, und die gelegentlichen Abfälle, die man ihm hinunterwarf, waren alles, was ihn in den nächsten Tagen am Leben erhielt – oder in den nächsten Wochen, er wußte es nicht. Als er einmal einen abgestorbenen Baum aus dem Dschungel ins Lager schleppen mußte, erlaubte man ihm, ein paar Früchte zu pflücken und sie zu essen, und am Abend hatte er dann die Ruhr. Benommen lag er in seinem Loch, mit seinen eigenen Exkrementen beschmiert, und hörte, wie sie sich über seine Dummheit lustig machten.
Aber er hatte nicht aus Dummheit gehandelt. In seinem Delirium schien sein Gehirn besser zu funktionieren als zu irgendeiner Zeit seit seiner Gefangennahme. Die Ruhr war Absicht. Er hatte gerade genug von den Früchten gegessen, um einen milden Anfall hervorzurufen, so daß er am nächsten Tag, wenn sie ihn herausholten, schwere Magenkrämpfe simulieren konnte, wenn er die abgestorbenen Baumstümpfe ins Lager schleppte. Vielleicht würde man ihn eine Weile nicht zur Arbeit einsetzen. Vielleicht würde ihn sein Wachtsoldat im Dschungel zurücklassen, um Hilfe zu holen, und er würde entkommen können.
Aber dann mußte er sich eingestehen, daß seine Gedanken durchaus nicht so klar waren. Er hatte tatsächlich zuviel von den Früchten gegessen, und die Magenkrämpfe waren schlimmer, als er erwartet hatte. Und wenn er nicht mehr arbeiten konnte, würden ihn die Wachen wahrscheinlich erschießen. Und auch wenn es ihm gelang zu flüchten – wie weit würde er kommen, halb verhungert, halb tot und ruhrkrank? Er konnte sich nicht erinnern, ob ihm diese Gedanken vorher oder nachher gekommen waren. Alles war so durcheinander, und plötzlich war er allein, sich einen Weg durch den Dschungel bahnend, und versank schließlich in einem Bach. Das nächste, was ihm zum Bewußtsein kam, war, daß er einen mit Farnkräutern bewachsenen Hügel hinaufkroch, aufstand, auf ebenem Boden ins Gras fiel, sich wieder aufrappelte, mühsam die ebene Fläche überquerte, dann wieder einen Hügel hinaufkroch, auch oben nicht mehr imstande, sich aufzurichten, nur noch zu kriechen. Die Bergstämme, dachte er. Du mußt zu den Bergstämmen kommen.
Jemand gab ihm zu trinken. Er war sicher, daß ihn die Soldaten wieder eingefangen hatten und versuchte, sich loszureißen, aber jemand hielt ihn fest und flößte ihm etwas ein, das er schlucken mußte. Es waren nicht die Soldaten, sie konnten es nicht sein, denn sie ließen ihn wieder gehen und weiter durch den Dschungel stolpern. Zuweilen glaubte er wieder in seinem Loch zu sein und nur zu träumen, er sei frei. Dann kam es ihm wieder vor, als sei er noch immer beim Absprung, zusammen mit seiner Einheit, der Fallschirm öffnete sich nicht, und die Berge ragten über ihm auf. Als er wieder aufwachte, lag er unter ein paar Büschen ausgestreckt, dann merkte er, daß er rannte, und schließlich lag er wieder flach auf einem Felsen. Als die Sonne unterging, orientierte er sich
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