Rambo
gehabt, wie sehr es ihm Spaß machte, Feuerholz zu sammeln, Steine und Zweige wegzuräumen, um ein einigermaßen bequemes Lager zu haben, und dann seine Decke auszubreiten. Wie aufregend das alles war. »Sie ist also weg«, sagte Orval.
Teasle wollte nicht darüber sprechen. Sie war diejenige, die gegangen war, nicht umgekehrt, und das erweckte den Eindruck, als wäre es seine Schuld. Vielleicht war es seine Schuld. Aber ihre auch. Er wollte ihr nicht alle Schuld zuschieben, damit Orval nicht schlecht über ihn dachte. Er machte den Versuch, eine Art Erklärung abzugeben: »Vielleicht kommt sie wieder zurück. Sie überlegt es sich. Es mag nicht so ausgesehen haben, aber in letzter Zeit hatten wir ziemlich viel Krach miteinander.«
»Du bist ja auch gewiß nicht einfach zu haben.«
»Du vielleicht?«
»Ich habe immerhin vierzig Jahre lang mit derselben Frau zusammengelebt, und Bea hat, soviel ich weiß, nie daran gedacht, mich zu verlassen. Ich kann mir vorstellen, daß man dich mit endlosen Fragen belästigt, aber so wie du und ich miteinander stehen, glaube ich ein Recht zu haben, meinerseits ein paar Fragen zu stellen. Worüber habt ihr euch gezankt?«
Fast hätte er keine Antwort gegeben. Es war ihm immer schon peinlich gewesen, über persönliche Dinge zu sprechen, besonders, wenn er sich selbst noch nicht klar darüber war, wer recht hatte. »Kinder«, sagte er. Und da der Bann nun einmal gebrochen war, sprach er weiter: »Ich wollte mindestens ein Kind von ihr haben. Junge oder Mädchen, ganz egal. Ich wollte jemanden um mich haben, der das sein würde, was ich für dich gewesen bin. Ich, ich kann es nicht erklären. Ich komme mir so dumm vor, darüber zu sprechen.«
»Sag nur nicht, daß das dumm ist, Junge. Nicht, wo ich so lange versucht habe, eigene Kinder zu bekommen.«
Teasle blickte ihn an.
»Oh – du bist für mich wie ein eigenes Kind«, sagte Orval. »Wie ein eigenes Kind. Aber manchmal überlege ich mir doch, was für ein Kind Bea und ich in die Welt gesetzt hätten. Wenn wir es gekonnt hätten.«
Das tat weh. Als ob er diese ganzen Jahre über für Orval nicht mehr gewesen wäre, als das hilfebedürftige Kind eines verstorbenen Freundes. Das konnte er nicht akzeptieren. Vielleicht war er überempfindlich geworden, seit Anna ihn verlassen hatte. Aber wenn er schon darüber sprach, wollte er die Karten gänzlich aufdecken.
»Vorige Weihnachten«, sagte er, »gingen wir auf einen Drink zu den Shingletons, bevor wir zu euch zum Essen kamen, und beobachteten ihre zwei Kinder, und wie sehr sie sich über ihre Geschenke freuten, und da dachte ich mir, es wäre doch schön, selbst so ein Kind zu haben. Ich war selbst erstaunt, daß ich in meinem Alter noch daran dachte, Kinder zu haben, aber du hättest mal sehen sollen, wie erstaunt sie war. Wir sprachen darüber, und sie sagte die ganze Zeit nein, und schließlich habe ich wohl zu sehr darauf bestanden. Und dann hat sie wohl die Vorteile einer Ehe mit mir gegen die Nachteile und Mühen, die ihr ein Kind bringen würden, gegeneinander abgewogen. Und dann hat sie mich verlassen. Das Verrückte daran ist, daß ich trotz der schlaflosen Nächte, in denen ich mir wünsche, sie wäre wieder da, im Grunde froh bin, daß sie weg ist. Ich bin wieder allein, muß mich mit niemand streiten, ich kann tun und lassen, was ich will und wann ich will, kann spät nach Hause kommen, ohne anrufen zu müssen und mich zu entschuldigen, daß ich nicht zum Essen komme, ich kann ausgehen, herumbumsen, alles. Manchmal glaube ich, daß das Schlimmste an der ganzen Sache die Scheidungskosten sind. Gleichzeitig fehlt sie mir so sehr, daß ich es gar nicht sagen kann.« Sein Atem dampfte in der kalten Luft. Einige Vogelscharen versammelten sich laut zwitschernd. Er sah zu, wie Orval den letzten Zug aus dem winzigen Stummel seiner Zigarette tat, die ihm fast bis auf die knochigen, nikotinverfärbten Finger heruntergebrannt war.
»Aber was ist jetzt mit diesem Kerl, dem wir nachjagen?« fragte Orval. »Willst du das alles an ihm auslassen?«
»Nein.«
»Bist du sicher?«
»Ganz sicher. Ich spiele hier nicht den Helden. Du weißt genausogut wie ich, daß Sicherheit und Ordnung in einer Stadt von den kleinen Dingen abhängig sind. Große Verbrechen, wie Raub oder Mord, kann man kaum verhindern. Wer zu so was entschlossen ist, führt es auch aus. Es sind die kleinen Dinge, auf die man aufpassen muß, und die eine Stadt zu dem machen, was sie ist. Wenn ich einfach gelacht
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