Rambo
Stimme kam undeutlich und kratzend, wie aus weiter Ferne.
Teasle konnte sie bei dem Motorengeknatter kaum verstehen. Er sah sich nach seinen Männern um. Orval war dabei, die leeren Pappbecher und das Papier von den Sandwiches einzusammeln und ins Feuer zu werfen. Die anderen schnallten sich ihre Ausrüstung um und schwangen sich Gewehre über die Schulter. Als alles Papier verbrannt war, schüttete Orval das Feuer mit Erde zu. »Also los!« rief Teasle. »Auf geht’s.«
Er hatte Schwierigkeiten, das Mikrofon wieder an der Astgabel zu befestigen, so aufgeregt war er.
4
Den ganzen Morgen, während er rannte, dann wieder in weit ausholenden Schritten marschierte, wieder rannte und wieder im Schritt ging, hörte er einige Kilometer entfernt das Dröhnen des Motors, vereinzelte Schüsse und eine tiefe Männerstimme, die aus dem Lautsprecher zu kommen schien und Unverständliches murmelte. Dann war das Dröhnen nur noch ein paar Berggipfel entfernt, und Rambo erinnerte sich an die Hubschrauber im Krieg und begann schneller zu laufen.
Seit fast zwölf Stunden trug er wieder Kleidung. Nach seinem Gewaltmarsch, nackt in der kalten Nachtluft, war es um so angenehmer, wieder warme Kleider am Körper zu haben. Er trug ein Paar schwere alte Schuhe, das der Sohn gegen Mitternacht zur Senke an der Quelle gebracht hatte. Zuerst waren ihm die Schuhe zu groß gewesen, aber er hatte sich Blätter in die Schuhspitzen gestopft, damit die Schuhe ihm fest an den Füßen saßen und keine Blasen verursachten. Aber auch so rieb ihm das harte, alte Leder die Füße wund, und er wünschte, der Junge hätte daran gedacht, auch Socken mitzubringen. Vielleicht hatte er sie absichtlich vergessen. Dafür war ihm die Hose zu eng, und bei dem Gedanken, daß der Sohn auch diese absichtlich so ausgesucht hatte, mußte er lachen. Zu große Schuhe, eine zu enge Hose – die hatten ihn gründlich reingelegt.
Die Hose sah aus, als hätte sie einmal zu einem Anzug gehört; man hatte sie dann offensichtlich – nachdem sie im Schritt aufgerissen war – geflickt und als Arbeitshose verwendet. Hell mit dunklen Öl- und Fettflecken. Das Hemd war aus weißer Baumwolle, Manschetten, Knopflöcher und Kragen ausgefranst. Außerdem hatte ihm der Alte sein dickes, rotkariertes Wollhemd gegeben, damit er nachts nicht fror. Die Freundlichkeit und Großzügigkeit des Alten überraschten Rambo. Vielleicht war es der Whisky. Nachdem er und der Alte die Karotten und das kalte Brathähnchen gegessen hatten, die der Sohn ihnen brachte, ließen sie den Whiskykrug wiederholt in der Runde gehen – der Sohn eingeschlossen, und am Ende war der Alte sogar so weit gegangen, ihm sein Gewehr und ein zusammengeknüpftes Taschentuch voll Patronen zu überlassen.
»Ich war selbst mal gezwungen, mich ein paar Tage in den Bergen zu verstecken«, hatte der Alte ihm erzählt. »Vor langer Zeit. Damals war ich nicht viel älter als mein Sohn jetzt ist.« Warum, hatte er nicht erzählt, und Rambo hatte es taktvoll vermieden, ihn danach zu fragen. »Ich hatte nicht mal Gelegenheit, nach Hause zu laufen und mein Gewehr zu holen. Dabei hätte ich es dringend gebraucht. Wenn du aus all dem raus bist, schicke mir das Geld für das Gewehr. Ich will dein Wort darauf. Es ist nicht das Geld, auf das es mir ankommt. Bei dem, was ich mit diesem Zeug hier verdiene, kann ich mir weiß Gott ein anderes kaufen. Aber es würde mich interessieren, was aus dir geworden ist und ob du es geschafft hast, und dieses Gewehr soll dich daran erinnern, es mich wissen zu lassen. Es ist eine gute Waffe.« Und das war es auch: ein .30-30 Repetiergewehr mit genug Durchschlagkraft, um einen Stier auf sechshundert Meter Entfernung zu durchlöchern wie ein Stück Käse. Der Alte hatte ein Lederpolster hinten am Schaft angebracht, um den Rückstoß abzudämpfen. Das Korn vorne am Lauf war mit Phosphor bestochen, um das Zielen bei Nacht zu erleichtern.
Rambo hatte sein Versprechen gehalten und war stromabwärts gegangen, weg von der Stelle, wo der Alte seine Kessel, Rohre und Krüge versteckt hielt. Bald darauf bog er nach Westen ab, immer noch in der Absicht, sich später südwärts nach Mexiko durchzuschlagen. Er machte sich keine falschen Vorstellungen, daß das leicht sein würde. Da er es nicht riskieren wollte, ein Auto zu stehlen, würde er monatelang zu Fuß unwirtsame Gegenden durchstreifen und von dem leben müssen, was er unterwegs fand. Jedoch kannte er keinen Ort mehr in der Nähe, wo er sich sicher
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