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Rambo

Rambo

Titel: Rambo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Morrell
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fast erwartet, Zeichnungen von gehörnten Tieren und von Jägern mit Speeren an den Wänden zu finden. Er hatte solche Zeichnungen schon früher gesehen, konnte sich jedoch nicht erinnern, wo. Vielleicht hatte man ihnen in der Schule Fotos gezeigt, Jagdszenen hatten ihn schon immer fasziniert. Als Schuljunge in Colorado war er oft allein in den Bergen herumgestreift. Einmal war er vorsichtig in eine Höhle gestiegen und hatte beim Schein seiner Taschenlampe die Zeichnung eines Büffels gesehen. Groß und gelb, mitten auf der Wand. Er sah so natürlich aus, als würde er jeden Moment erschreckt davonlaufen, und Rambo hatte ihn den ganzen Nachmittag betrachtet, bis die Batterie seiner Taschenlampe leer war. Später hatte er mindestens einmal die Woche die Höhle aufgesucht, um dort zu sitzen und das Bild anzusehen. Es war sein Geheimnis. Sein Vater hatte ihn eines Abends geohrfeigt, weil er ihm nicht sagen wollte, wo er gewesen war. Bei der Erinnerung, daß es dem Vater nicht gelungen war, ihn zum Sprechen zu bringen, nickte Rambo zufrieden. Die Höhle hatte ihn immer an eine Kirche erinnert, und diese hier tat es auch. Der Vergleich war ihm etwas peinlich. Früher, als Kind, war es nicht so gewesen. Erste Kommunion. Beichte. Er erinnerte sich, wie er den schweren schwarzen Vorhang zur Seite geschoben hatte und in den Beichtstuhl geschlüpft war, wie er auf der gepolsterten Holzleiste gekniet und die gedämpfte Stimme des Priesters gehört hatte, der auf der anderen Seite einem reuigen Sünder Absolution erteilte. Dann war die Holzklappe zurückgeschoben worden, und er hatte gebeichtet. Was hätte er wohl heute gebeichtet? Den Mord an den Männern, die er getötet hatte? Es war Notwehr, Vater.
    Aber hat es dir Spaß gemacht, mein Sohn? War es eine Sünde?
    Eine peinliche Frage. Er glaubte nicht an die Sünde und dachte nicht gern daran. Aber die Frage tauchte immer wieder auf: War es eine Sünde? Und als er jetzt am warmen Feuer vor sich hindöste, überlegte er sich, was er wohl als Kind geantwortet haben würde. Wahrscheinlich >Ja<. Die Reihenfolge, in der er getötet hatte, war schwer zu erklären. Daß er die Hunde und den alten Mann in Grün erschossen hatte, konnte er vor dem Priester als Notwehr rechtfertigen. Aber was er später getan hatte, als sich ihm die Gelegenheit zu entkommen bot, und er statt dessen Teasle nachgejagt war und seine Leute niedergeknallt hatte, als sie auf der Flucht waren das war Sünde gewesen. Und nun würde Teasle wiederkommen, und es war an der Zeit, Buße zu tun. Hinten im Tunnel tropfte das Wasser unaufhörlich.
    Hinten im Tunnel. Dort hätte er gleich zu Anfang nachsehen müssen. Ein verlassenes Bergwerk war ein natürlicher Schlupfwinkel für einen Bären. Oder für Schlangen. Was war nur los mit ihm, daß er noch nicht daran gedacht hatte? Er nahm einen brennenden Zweig vom Feuer und verwendete ihn als Fackel, während er tiefer in den Tunnel eindrang. Die Decke senkte sich immer tiefer, je weiter er kam, und das Bücken bereitete ihm unerträgliche Schmerzen, aber es mußte sein. Hinter einer Biegung kam er an die Stelle, wo das Wasser, das er gehört hatte, von der Decke tropfte, einen Tümpel bildete und durch eine Felsspalte ablief. Und hier war das Ende des Tunnels. Seine Fackel drohte zu erlöschen und als er nichts Verdächtiges sah, kehrte er zu seinem Ausgangspunkt zurück.
    Jetzt erinnerte er sich an alles, was er unterlassen hatte: sich zu vergewissern, daß das Feuer von draußen nicht zu sehen war. Etwas Eßbares auftreiben. Was noch? Sich hier im Bergwerk auszuruhen war ihm als einfachste Lösung erschienen, aber es machte ihm so viele Scherereien, daß er sich überlegte, ob er es nicht lieber aufgeben und versuchen sollte, sich durch die Lichterkette da unten davonzuschleichen. Er kam bis zum Eingang, wo ihm so schwindlig wurde, daß er sich setzen mußte. Es blieb ihm keine Wahl. Er mußte noch eine Weile hierbleiben.
    Nur eine Weile.
    Von unten rechts ertönte ein Schuß. Dann noch drei. Es war zu dunkel und zu weit weg, als daß man auf ihn geschossen haben konnte. Noch drei Schüsse von weit unten und dann das Heulen einer Sirene. Was zum Teufel ging dort vor?
    Essen. Nur darum mußte er sich jetzt kümmern. Essen. Und er wußte auch genau was: eine große Eule, die aus einem Baum aufgeflogen war, als er zum erstenmal die Höhle verlassen hatte. Sie war davongeflogen und zwei Minuten später zurückgekommen. Das hatte sie mittlerweile schon zweimal gemacht.

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