RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts
ist des Lobes voll über deine Leistung.«
»Ich beschränke mich darauf, das von anderen
Geleistete zu überprüfen.«
»Du darfst dein Licht nicht unter den Scheffel
stellen, Moses. Was du kannst, sieht doch jeder, und ich bin stolz auf dich.«
»Bist du vorübergehend in Theben?«
»Nein, Dolente und ich wohnen in einem Haus in der
Nähe. Ich unterrichte in Karnak, an einer Schule.«
»Das sieht aber verdächtig nach einem Abstieg aus.«
»Das ist es auch.«
»Was ist der Grund dafür?«
»Möchtest du die Wahrheit hören?«
»Wie es dir beliebt.«
»Sie läßt sich nicht so leicht in Worte fassen.«
»Ich habe nicht die Absicht, dich zum Reden zu
zwingen.«
»Ramses trägt die Schuld an meinem Los. Er hat gegen
die eigene Schwester und gegen mich schlimmste Anschuldigungen erhoben.«
»Ohne Beweise zu haben?«
»Ohne den geringsten Beweis. Hätte er uns, wäre es
anders gewesen, denn nicht vor Gericht bringen müssen?«
Dieser Gedankengang machte Moses unsicher.
»Ramses berauscht sich an seiner Macht«, fuhr Sary
fort, »seine Schwester hat den Fehler begangen, ihm etwas mehr Zurückhaltung
nahezulegen. Im Grunde hat er sich nicht verändert. Sein unnachgiebiger und
ungezügelter Charakter ist nicht geeignet für die verantwortungsvolle Rolle,
die ihm übertragen wurde. Glaube mir, ich bin der erste, der das bedauert. Auch
ich hatte ja versucht, ihm ins Gewissen zu reden. Doch es war vergeblich.«
»Belastet dich diese Verbannung nicht?«
»Verbannung ist ein zu starkes Wort! Diese Gegend ist
doch großartig, der Tempel verschafft Seelenruhe, und es macht mir Freude, mein
Wissen an Kinder weiterzugeben. Ehrgeiz ist meinem Alter nicht mehr
angemessen.«
»Hältst du dich für das Opfer einer Ungerechtigkeit?«
»Ramses ist der Regent.«
»Machtmißbrauch ist ein schlimmer Frevel.«
»Es ist schon besser so, glaub mir. Aber hüte du dich
vor Ramses.«
»Aus welchem Grund?«
»Ich bin mir sicher, daß er sich nach und nach all
seiner alten Freunde entledigen wird, und dabei wird ihm jeder Vorwand recht
sein. Allein schon ihre Gegenwart wird ihm lästig sein. Er hat ohnehin nur
Augen für Nefertari. Seit ihrer Heirat zählt nur mehr ihre Zweisamkeit. Diese
Frau vergiftet ihm Herz und Sinn. Sei auf der Hut, Moses! Für mich ist es zu
spät, aber du wirst es noch zu spüren bekommen.«
Der Hebräer dachte lange nach. Er achtete seinen
ehemaligen Lehrer, dessen Worte so gar nicht streitbar geklungen hatten. Sollte
Ramses wirklich den falschen Weg gegangen sein?
Der Löwe und der gelbe Hund hatten Freundschaft
geschlossen mit Nefertari. Außer Ramses durfte nur sie noch den Wüstenkönig
streicheln, ohne gekratzt oder gebissen zu werden. Alle zehn Tage gönnte sich
das junge Paar einen freien Tag und streifte mit den beiden Tieren durchs Land.
Schlächter lief neben dem Wagen her, während Wächter es sich zu Füßen seines
Herrn bequem machte. Mittags aßen sie am Feldrain, bewunderten den Flug der
Ibisse und Pelikane und grüßten die Dorfbewohner, die Nefertaris Schönheit
bezauberte. Die junge Frau verstand es, auf jeden einzugehen, und fand für
alles das richtige Wort. Schon etliche Male hatte sie bewirkt, daß sich die
Lebensbedingungen eines alten oder kranken Bauern verbessert hatten.
Ob sie Tuja oder einer Magd gegenüberstand, Nefertari
war immer die gleiche, stets aufmerksam und ausgeglichen. Sie besaß alle Gaben,
die Ramses fehlten, Geduld, Bescheidenheit und Sanftmut. Alles, was sie tat,
war einer Königin würdig. Vom ersten Augenblick an hatte er gewußt, daß sie
unersetzlich sein würde.
In ihnen wuchs eine Liebe heran, die sich deutlich
unterschied von der, die der Regent für Iset, die Schöne, empfand. Zwar
vermochte Nefertari wie diese sich der Lust hinzugeben und die
Leidenschaftlichkeit ihres Geliebten zu genießen, aber selbst im Augenblick der
Vereinigung ihrer beider Körper funkelte in ihrem Blick noch ein anderes Licht.
Im Gegensatz zu Iset, der Schönen, teilte Nefertari die geheimsten Gedanken
ihres Geliebten.
Als der Winter des zwölften Regierungsjahrs seines
Vaters anbrach, bat Ramses ihn um die Erlaubnis, Nefertari nach Abydos
mitnehmen zu dürfen, damit auch sie die Osiris- und Isis-Mysterien erlebte. Das
königliche Paar sowie der Regent und seine Gemahlin brachen also gemeinsam auf
zur heiligen Stadt, wo Nefertari eingeweiht wurde.
Am Tage nach der Zeremonie überreichte Tuja ihr ein
Goldarmband, das sie von nun an tragen würde, wenn sie der großen
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