RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts
bei sich
zu behalten!
Zum erstenmal hatte Iset, die Schöne, von Heirat
gesprochen. Der störrische Prinz zeigte sich nicht begeistert. Sosehr ihm die
Gefährtin gefiel, sowenig konnte er sich mit dem Gedanken, ein Paar zu bilden,
anfreunden. Gewiß, sie waren bereits Mann und Frau, trotz ihres jugendlichen
Alters, und niemand hätte sich ihrer Verbindung widersetzt. Aber Ramses hielt
sich noch nicht für fähig, sich in ein Abenteuer dieser Art zu stürzen. Iset
machte ihm keinerlei Vorwurf, nahm sich aber vor, ihn zu überzeugen. Je besser
sie ihn kennenlernte, um so größeres Vertrauen setzte sie in ihn. Mochte er
sich verhalten, wie sein Verstand es ihm gebot, sie würde ihrem Instinkt folgen.
Ein Wesen, das so viel Liebe schenkte, war ein unersetzlicher Schatz, war
kostbarer als jeglicher Reichtum.
Ramses begab sich ins Palastviertel, in die
Stadtmitte. Ameni dürfte schon ungeduldig auf seine Rückkehr warten. Ob er
seine Nachforschungen fortgesetzt und Ergebnisse erzielt hatte?
Ein Bewaffneter stand vor dem Eingang der
Prinzengemächer.
»Was geht hier vor?«
»Bist du Prinz Ramses?«
»Ich bin es.«
»Dein Schreiber wurde überfallen, daher hat man mir
befohlen, über ihn zu wachen.«
Ramses eilte zum Schlafzimmer seines Freundes.
Ameni lag mit verbundenem Kopf auf dem Bett, am
Kopfende saß eine Pflegerin.
»Still, er schläft«, bedeutete sie ihm.
Sie zog den Prinzen aus dem Zimmer.
»Was ist ihm zugestoßen?«
»Man fand ihn auf einer Müllhalde im Norden der Stadt,
er schien wie tot.«
»Wird er überleben?«
»Der Arzt ist zuversichtlich.«
»Hat er gesprochen?«
»Ein paar unverständliche Worte. Die Heilmittel
unterdrücken den Schmerz, versenken ihn aber in tiefen Schlaf.«
Ramses sprach mit dem Vertreter des Obersten Wächters,
der sich auf Inspektion im Süden von Memphis befand. Der Beamte bedauerte, ihm
keinerlei Auskunft geben zu können. Niemand im fraglichen Stadtteil hatte den
Angreifer gesehen. Trotz ausführlicher Befragungen hatte man keinen Hinweis
erhalten. Mit dem Wagenlenker war es ebenso. Er war untergetaucht und hatte
Ägypten vielleicht längst verlassen.
Kaum war Ramses wieder daheim, da erwachte Ameni. Als
er Ramses sah, hellte sich der Blick des Verletzten auf.
»Du bist zurück, ich wußte es doch!«
Die Stimme zitterte noch, war aber klar.
»Wie fühlst du dich?«
»Ich hab es geschafft, Ramses, ich hab es geschafft!«
»Wenn du dich weiterhin auf solche Gefahren einläßt,
wirst du dir bald alle Knochen gebrochen haben.«
»Die halten was aus, wie du siehst.«
»Wer hat dich zusammengeschlagen?«
»Der Bewacher einer Werkstatt, in der minderwertige
Tintensteine gelagert werden.«
»So hast du es tatsächlich geschafft.«
Stolz beseelte Amenis Gesicht.
»Nenn mir den Ort«, verlangte Ramses.
»Es ist gefährlich, geh nicht hin ohne bewaffneten
Schutz.«
»Mach dir keine Sorgen und ruh dich aus. Je eher du
wieder auf den Beinen bist, desto schneller wirst du mir helfen können.«
Dank Amenis Angaben fand Ramses mühelos die
berüchtigte Werkstatt. Obgleich die Sonne bereits vor drei Stunden aufgegangen
war, fand er die Tür verschlossen. Verärgert streifte der Prinz durch das
Viertel, konnte aber keine verdächtige Bewegung ausmachen. Das Lager schien
aufgegeben.
Da er eine Falle befürchtete, geduldete Ramses sich
bis zum Abend. Zahlreich waren die Passanten, die kamen und gingen, aber
niemand betrat dieses Gebäude.
Er befragte einen Wasserträger, der die Handwerker
versorgte.
»Kennst du diese Werkstatt?«
»Da werden Tintensteine hergestellt.«
»Warum ist sie geschlossen?«
»Seit einer Woche ist die Tür verriegelt,
merkwürdigerweise.«
»Was ist den Besitzern geschehen?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Was sind das für Leute?«
»Hier sah man nur die Arbeiter, nie ihren
Arbeitgeber.«
»Wem lieferten sie ihre Erzeugnisse?«
»Das geht mich nichts an.«
Der Wasserträger entfernte sich.
Ramses verfuhr wie Ameni; er kletterte die Leiter
hoch, dann über das Dach des Speichers, um in das Gebäude zu gelangen.
Schnell gewann er Klarheit, denn das Lager war leer.
In Begleitung der anderen königlichen Schreiber wurde
Ramses zum Tempel des Ptah bestellt, des Gottes, der die Welt durch das Wort
erschuf. Jeder trat vor den Hohenpriester hin und erstattete kurz Bericht über
seine jüngsten Tätigkeiten. Der Oberste Leiter der Handwerker gemahnte sie, das
Wort zu gestalten wie einen Werkstoff und ihre Rede zu modellieren, wie
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