RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts
brannte, entzündete er mit seiner Fackel gleich mehrere
Brandherde.
»Papa… ich möchte die große Puppe dort haben.«
»Was sagst du?«
»Die große Puppe da drüben.«
Das Kind zeigte mit dem Finger auf eine menschliche
Gestalt, ein Arm schaute aus dem Abfallhaufen hervor. Der Rauch verschleierte
ihn.
»Ich will sie haben, Papa.«
Ärgerlich stapfte der Beamte in den Müllberg hinein,
er wollte sich schließlich nicht die Füße verbrennen.
Ein Arm. Der gehörte ja einem Jungen! Vorsichtig legte
er den leblosen Körper frei. Am Nacken klebte getrocknetes Blut.
Während der Heimfahrt hatte Ramses seinen Vater nicht
mehr gesehen. Nicht das geringste fehlte in seinem Bordtagebuch, der Bericht
würde in die königlichen Annalen eingehen, wo die Heldentaten aus Sethos’
sechstem Regierungsjahr für die Nachwelt festgehalten wurden. Der Prinz
entledigte sich seines Schreibergewands, legte das Schreibgerät beiseite,
plauderte mit der Schiffsbesatzung und legte selbst Hand an. So lernte er,
Knoten zu machen, Segel aufzuziehen, ja sogar das Steuer zu bedienen. Vor allem
aber machte er sich mit dem Wind vertraut. Hieß es denn nicht, der
geheimnisvolle Gott Amun, dessen Aussehen niemand kannte, offenbare sich im
Schwellen der Segel, wenn er die Schiffe in den sicheren Hafen trieb? Der
Unsichtbare machte sich bemerkbar.
Der Kapitän fand Gefallen daran, weil der Sohn des
Königs nicht auf seinen Stand pochte und jede Bevorzugung von sich wies. Daher
unterwies er ihn in den tausenderlei Handgriffen, die ein Seemann beherrschen
mußte. Ramses verzog keine Miene, er schrubbte das Deck und setzte sich, ohne
mit der Wimper zu zucken, auf die Ruderbank. Die Fahrt gen Norden erforderte
genaue Kenntnis der Strömung und eine mutige Besatzung.
Die Rückkehr von einer Expedition bot immer Anlaß für
ein Freudenfest. Im Haupthafen von Memphis, der den vielsagenden Namen »Gute
Reise« trug, drängten sich die Menschen. Sobald sie wieder Fuß auf ägyptischen
Boden setzten, bekamen die Seeleute Blütenkränze und Schalen mit kühlem Bier
gereicht. Man sang und tanzte ihnen zu Ehren und feierte ihren Mut und die Güte
des Flusses, der sie geleitet hatte.
Anmutige Hände legten Ramses einen Kornblumenkranz um
den Hals.
»Wird dieser Lohn einem Prinzen genügen?« fragte Iset,
die Schöne, mit schalkhaftem Blick.
Ramses machte keine Ausflüchte.
»Du wirst verärgert über mich sein.«
Er nahm sie in den Arm, sie gab sich abweisend.
»Glaubst du, dich wiederzusehen genüge, deine Grobheit
zu vergessen?«
»Warum nicht, da ich ja nicht schuldig bin?«
»Selbst bei überstürzter Abreise hättest du mich
verständigen können.«
»Den Befehl des Pharaos auszuführen gestattet nicht
den geringsten Verzug.«
»Willst du sagen, es…«
»Mein Vater hat mich zum Gebel Silsileh mitgenommen,
und das war keine Strafe.«
Iset, die Schöne, gab sich zärtlich.
»Auf solch einer langen Reise in seiner Gesellschaft,
da dürfte er dir etliches anvertraut haben.«
»Du irrst, ich war Schreiber, Steinhauer und Matrose.«
»Aus welchem Grund hat er dir dann diese Reise
auferlegt?«
»Das weiß nur er allein.«
»Ich habe deinen Bruder gesehen, er hat mir gesagt, du
habest deine Stellung verwirkt und würdest dich im Süden niederlassen und dort
einen kümmerlichen Posten bekleiden.«
»In den Augen meines Bruders ist alles kümmerlich, nur
nicht er selbst.«
»Aber nun bist du nach Memphis zurückgekehrt, und ich
gehöre dir.«
»Du bist schön und klug; zwei für eine große
königliche Gemahlin unerläßliche Bedingungen.«
»Chenar will mich noch immer heiraten.«
»Warum zögerst du? Es ist nicht klug, eine hohe
Bestimmung zurückzuweisen.«
»Ich bin nicht klug, sondern verliebt in dich.«
»Die Zukunft…«
»Mich interessiert nur die Gegenwart. Meine Eltern
sind auf dem Lande, das Haus ist leer, wäre es nicht bequemer als eine
Schilfhütte?«
War es Liebe, diese unbändige Lust, die er mit Iset,
der Schönen, teilte? Ramses fragte es sich vergeblich. Es war ihm genug, diese
sinnliche Leidenschaft auszuleben, diese berauschenden Momente auszukosten, da
ihre Körper sich so aufeinander einspielten, daß sie nur mehr ein einziges
Wesen bildeten, das von einem Strudel fortgerissen wurde. Mit ihren
Liebkosungen reizte und weckte seine Geliebte sein Begehren, das niemals
versiegte. Wie schwer es doch war, sie zu verlassen, wenn sie nackt und
sehnsüchtig dalag und ihm die Arme entgegenstreckte, um den Geliebten
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