Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel
in verschiedenen Kellern.»
«Wir werden keine Gewalt anwenden, aber es wäre gut, wenn wir uns verteidigen könnten, falls wir verfolgt werden.»
«Das werdet ihr, Moses, das werdet ihr bestimmt. Ramses wird es nicht hinnehmen, daß sich ein ganzes Volk gegen ihn erhebt.»
«Wir wollen keinen Aufruhr, sondern uns nur auf den Weg in das Land machen, das uns verheißen ist.»
Ofir jubilierte insgeheim. Endlich hatte er einen Grund, sich zu freuen. Moses würde Unruhen auslösen und damit günstige Voraussetzungen für Uriteschup schaffen, in Ägypten einzufallen.
Das lange Haar zu einem Knoten geschlungen und unter einer Haube verborgen, lag die Priesterin Puducheba wie tot auf einer steinernen Bank vor dem Relief der Zwölfgötter im Heiligtum Yazilikaya.
Sie hatte einen gefährlichen Trank zu sich genommen, der sie für drei Tage und drei Nächte in tiefen Schlaf versetzte. Es gab kein zuverlässigeres Mittel, um mit den Mächten des Schicksals in Verbindung zu treten und ihren Willen zu ergründen.
Die Befragung der üblichen, Uriteschup immer noch schlecht gesinnten Orakel hatte nicht ausgereicht, um eine für ihr und Hattuschilis Leben weitreichende Entscheidung zu treffen.
Deshalb hatte sie sich zu diesem schweren und gefahrvollen Schritt entschlossen.
Die gesamte Händlerschaft und ein nicht unerheblicher Teil der Armee hatten sich zwar dazu überreden lassen, sich zu Hattuschili zu bekennen, aber gaben er und Puducheba sich nicht trügerischen Hoffnungen hin? Das Gold des ägyptischen Gesandten Acha hatte bewirkt, daß nun viele hohe Offiziere dafür eintraten, die Verteidigungsanlagen im Inneren des Landes und an dessen Grenze zu verstärken, anstatt Ägypten anzugreifen. Nur, würden sie nicht ihre Meinung wieder ändern, sobald Uriteschup die Augen aufgingen und er die gegen ihn angezettelte Verschwörung entdeckte?
Dem Sohn des Königs die Macht streitig zu machen würde früher oder später zu einem Bruderkrieg mit Ungewissem Ausgang führen. Also zögerte Hattuschili trotz seiner zahlreichen Anhänger noch, sich auf ein mörderisches Abenteuer einzulassen, das Tausende von Hethitern das Leben kosten könnte.
Deshalb hatte Puducheba sich diesem Traum unterziehen wollen, der ihr die Zukunft enthüllen sollte, sich aber nur während eines langen, durch den Trank erzwungenen Schlafes einstellte.
Zuweilen kam es jedoch vor, daß der Träumende nicht mehr erwachte oder dabei den Verstand verlor. Darum hatte sich Hattuschili trotz des Drängens seiner Gemahlin lange dagegen gesträubt, und Puducheba hatte ihn mindestens zehnmal darum bitten müssen, bis sie endlich seine Einwilligung erhielt.
Und nun lag sie, kaum atmend, seit drei Tagen und drei Nächten reglos da. Den Büchern über die Weissagungen zufolge müßte sie jetzt die Augen aufschlagen und verkünden, was die Mächte des Schicksals ihr offenbart hatten.
Erregt zerrte Hattuschili an seinem wollenen Mantel.
Die Zeit war abgelaufen.
«Puducheba… wache auf, ich bitte dich!»
Sie zuckte. Nein, er irrte sich… Sie hatte sich nicht bewegt.
Doch, es war ein Zucken! Puducheba öffnete die Augen und richtete sie auf den Fels, in den die Zwölfgötter eingemeißelt waren.
Dann entrang sich ihrem Mund eine Stimme, eine tiefe Stimme, die Hattuschili nicht an ihr kannte.
«Ich habe den Wettergott gesehen und die Göttin Ischtar…
Beide haben mir gesagt: ‹Ich werde deinem Gemahl Kraft verleihen, und das ganze Land wird sich hinter ihn stellen, indes sein Feind einem Schwein gleichen wird, das sich in seiner Suhle wälzt.›»
Eine zarte Hand streichelte ihn, so zart, daß sie ihn an den Morgentau des Frühlings denken ließ. Ihre Liebkosungen weckten nie gekannte Gefühle in ihm, und unbezähmbare Lust überwältigte ihn. Achas fünfte hethitische Geliebte besaß ebensolche Fähigkeiten wie ihre Vorgängerinnen, dennoch vermißte er allmählich die Ägypterinnen, die Ufer des Nils und die Palmenhaine.
Die Liebe war das einzige, was ihn von der bedrückenden Langeweile der Hauptstadt des Hethiterreiches abzulenken vermochte. Darüber hinaus führte er zahlreiche Gespräche mit den wichtigsten Vertretern der Händlerschaft und einige mit verschwiegenen Offizieren hohen Ranges. Seinem Auftrag gemäß verhandelte er zuweilen lange mit Uriteschup, dem künftigen Herrn von Hatti, dem Nachfolger König Muwatallis, dessen Todeskampf kein Ende zu nehmen schien, aber dessen Kräfte dennoch langsam schwanden. Der Ägypter hatte indes noch
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