Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel
eine andere Aufgabe, die nicht ganz seinem Auftrag entsprach: Er sollte Hattuschili aufspüren, sein Versteck ausfindig machen und ihn Uriteschup ausliefern. In regelmäßigen Abständen, wenn der Sohn des Königs von seinen militärischen Übungen an der Spitze der in ständiger Alarmbereitschaft gehaltenen Wagenkämpfer, berittenen Soldaten oder Fußtruppen zurückkehrte, erstattete ihm Acha ausführlich Bericht.
Schon dreimal wäre es Uriteschups Soldaten gelungen, Hattuschili festzunehmen, wenn ihn nicht heimliche Verbündete im letzten Augenblick gewarnt hätten.
An diesem Tag hatten Acha und seine Geliebte ihre Begierden bereits gestillt, als der Oberbefehlshaber der hethitischen Armee das Gemach des ägyptischen Gesandten betrat.
Sein Blick war hart, beinahe starr.
«Ich habe gute Neuigkeiten», sagte Acha, während er sich die Hände mit einem Duftöl einrieb.
«Ich auch», erklärte Uriteschup triumphierend. «Mein Vater, Muwatalli, ist endlich gestorben, und ich bin Herr über Hatti.»
«Nimm meine Glückwünsche entgegen… Nur, da ist immer noch Hattuschili.»
«Er wird mir nicht mehr lange entkommen, auch wenn mein Königreich groß ist. Aber erwähntest du nicht gute Neuigkeiten?»
«Sie betreffen Hattuschili. Dank eines vertrauenswürdigen Kundschafters glaube ich zu wissen, wo sich Muwatallis Bruder befindet. Aber…»
«Aber was, Acha?»
«Versprichst du mir, daß wir unseren Frieden besiegeln, sobald du Hattuschili gefangengenommen hast?»
«Du hast die richtige Wahl getroffen, mein Freund, sei dessen gewiß. Ägypten wird nicht enttäuscht sein. Wo verbirgt sich der Verräter?»
«Im Heiligtum von Yazilikaya.»
Uriteschup führte selbst den kleinen Trupp an, der nur aus zehn Männern bestand, um mögliche Späher nicht zu warnen.
Ein Aufmarsch vieler Soldaten hätte ihre Aufmerksamkeit erregt und Hattuschili zur Flucht veranlaßt.
Also hatten Priester, die Puduchebas Aufsicht unterstellt waren, dem Bruder des verstorbenen Königs Zuflucht gewährt.
Uriteschup würde ihnen die Strafe auferlegen, die sie verdienten.
Es war unvorsichtig gewesen, sich in der Nähe der Hauptstadt aufzuhalten, an einem leicht zugänglichen Ort.
Dieses Mal würde Hattuschili nicht entkommen. Uriteschup schwankte noch zwischen einer Hinrichtung an Ort und Stelle und einer zum Schein abgehaltenen Verhandlung vor Gericht.
Doch da er sogar an geschickt vorbereiteten Rechtsverfahren nur wenig Gefallen fand, entschied er sich für die erste Möglichkeit. Mit Rücksicht auf seine Stellung mußte er zu seinem Bedauern darauf verzichten, Hattuschili mit eigener Hand die Kehle durchzuschneiden, und einen seiner Männer mit diesem schmutzigen Geschäft betrauen. Sobald er wieder in Hattuscha war, würde er seinen Vater prunkvoll bestatten lassen, und er, Muwatallis vielgeliebter Sohn, würde sein unbestrittener Nachfolger werden.
Mit einer kampfbereiten Armee wollte Uriteschup danach im Süden Syriens einfallen, sich mit den Beduinen zusammenschließen, Kanaan besetzen, die Grenze zu Ägypten überschreiten und einem Ramses die Stirn bieten, der, wie sein Gesandter es ihm versicherte, den verhängnisvollen Fehler begangen hatte, an den Frieden zu glauben.
Er, Uriteschup, der Herr über das Königreich Hatti! Sein Traum wurde wahr, ohne daß er sich auf ein kostspieliges Bündnis zu stützen brauchte. Er fühlte sich stark genug, Assyrien, Ägypten, Nubien und den ganzen Orient zu erobern.
Sein Ruhm sollte dereinst den aller anderen hethitischen Herrscher überstrahlen.
Der kleine Trupp näherte sich dem heiligen Felsen von Yazilikaya, in dessen Innerem mehrere Kapellen lagen. Dort, so hieß es, wohnte das höchste Götterpaar: der Wettergott Teschup und seine Gemahlin. Trug der neue König nicht den Namen dieses schreckenerregenden und gefürchteten Gottes in seinem eigenen Namen? Ja, er verkörperte selbst dieses göttliche Gewitter, dessen Blitz und Donner schon bald seine Feinde treffen würden.
Vor dem Eingang in das Heiligtum standen ein Mann, eine Frau und ein Kind: Hattuschili, seine Gemahlin Puducheba und ihre kleine Tochter von acht Jahren! Sie mußten von Sinnen sein, daß sie sich ergaben und auf Uriteschups Milde vertrauten.
Der ließ seine Reiter anhalten und kostete diesen Triumph aus. Acha hatte ihm in der Tat die Gelegenheit verschafft, sich seiner letzten Widersacher zu entledigen. War diese fluchbeladene Familie erst einmal aus dem Weg geräumt, würde er den nunmehr überflüssig
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