Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel
dennoch den Frieden erlangen.»
«Du verlangst das Unmögliche. Deshalb arbeite ich so gern für dich.»
Der König wandte sich an Ameni.
«Hast du Setaou aufgefordert, eilends zurückzukommen?»
«Ja, Majestät.»
«Was ist geschehen?» fragte Acha besorgt.
«Moses hält sich für den Wortführer seines alleinigen Gottes, dieses Jahwe, der ihm befohlen hat, die Hebräer aus Ägypten hinauszuführen», erläuterte Ameni.
«Willst du damit sagen… alle Hebräer?»
«Für ihn sind sie ein Volk, das Anspruch auf seine Unabhängigkeit hat.»
«Aber das ist doch Irrsinn!»
«Es ist nicht nur unmöglich, vernünftig mit Moses zu reden, sondern er fängt sogar an zu drohen.»
«Hast du etwa Angst vor ihm?»
«Ich befürchte vor allem, daß aus unserem Freund Moses ein gefährlicher Feind wird», erklärte Ramses, «und ich habe es gelernt, meine Gegner nicht zu unterschätzen. Deshalb ist Setaous Anwesenheit unerläßlich.»
«Wie schade!» beklagte Acha. «Moses war ein starker und redlicher Mann.»
«Das ist er immer noch, aber er hat seine Fähigkeiten in den Dienst einer starren Glaubenslehre gestellt.»
«Du machst mir angst, Ramses. Ist dieser Krieg nicht schrecklicher als ein Feldzug gegen die Hethiter?»
«Entweder wir gewinnen ihn, oder wir gehen zugrunde.»
Setaou legte seine großen Hände auf Khas schmale Schultern.
«Bei allen Schlangen dieser Erde, du bist ja beinahe ein Mann geworden!»
Die beiden unterschieden sich auffallend voneinander. Kha, Ramses’ erstgeborener Sohn, war ein junger Schreiber von bleicher Gesichtsfarbe und mutete eher zerbrechlich an. Setaou war dagegen von stämmigem Wuchs, unter seiner dunklen Haut zeichneten sich straffe Muskeln ab, er hatte einen kantigen Schädel und einen Stoppelbart, und er trug ein Gewand aus Antilopenleder mit zahlreichen Taschen, in dem er wie ein Abenteurer oder ein Goldsucher aussah.
Bei ihrem Anblick hätte niemand vermutet, daß auch nur irgendeine Art von Freundschaft sie verband. Dennoch betrachtete Kha den Schlangenkundigen als seinen Lehrmeister, der ihn in die Kenntnisse des Verborgenen eingeführt hatte, und Setaou sah in Kha ein außergewöhnliches Geschöpf, das imstande sein würde, zum Wesen der Geheimnisse vorzudringen.
«Hast du seit meiner Abreise auch nicht zu viele Dummheiten begangen?» fragte Setaou.
Kha lächelte.
«Nun… ich hoffe, daß ich dich nicht enttäusche.»
«Wie ich höre, bist du befördert worden.»
«Ich habe einige rituelle Aufgaben im Tempel übernommen, das stimmt… Es war nicht meine Entscheidung, doch ich freue mich sehr darüber.»
«Das ist schön, mein Junge! Aber ich sehe weder ein Amulett um deinen Hals noch ein Leinenband an deinem Handgelenk…»
«Ich habe sie für die Reinigungszeremonie im Tempel abgenommen und danach nicht mehr gefunden. Nachdem du nun wieder da bist, besteht ja keinerlei Gefahr mehr, zumal mir obendrein die Magie der Riten zugute kommt.»
«Du solltest trotzdem Amulette tragen.»
«Trägst du denn welche, Setaou?»
«Ich habe immerhin mein Gewand aus Antilopenleder.»
Zu Setaous und Khas Überraschung flog ein Pfeil dicht an ihnen vorüber und bohrte sich genau in den Mittelpunkt einer Zielscheibe. Sie befanden sich auf dem Gelände, auf dem die besten Bogenschützen ihre Fähigkeiten übten, denn da hatte der König sie hinbeordert.
«Ramses ist immer noch so treffsicher wie früher», stellte Setaou fest.
Kha sah zu, wie sein Vater den Bogen sinken ließ und beiseite legte, den nur er allein zu spannen vermochte und den er bereits in der Schlacht bei Kadesch benutzt hatte. Seither schien die Gestalt des Herrschers noch stattlicher geworden zu sein. Durch seine bloße Anwesenheit gebot er Achtung.
Kha verneigte sich vor dem Mann, der viel mehr als nur sein Vater war.
«Weshalb hast du uns hierherkommen lassen?» wollte Setaou wissen.
«Weil ihr beide, mein Sohn und du, mir helfen werdet, einen Kampf zu führen, bei dem es gilt, genau zu zielen.»
«Ich fürchte, daß ich darin nicht sehr geschickt bin», entgegnete Kha ohne Umschweife.
«Glaube nur das nicht, mein Sohn! Wir werden mit Verstand und Magie kämpfen müssen.»
«Ich tue Dienst im Amun-Tempel und…»
«Die Priester haben dich einhellig zum Vorsteher ihrer Gemeinschaft gewählt.»
«Aber… ich bin noch nicht einmal zwanzig Jahre alt!»
«Was bedeutet denn das Alter! Dennoch habe ich ihren Vorschlag zurückgewiesen.»
Kha war erleichtert.
«Ich habe eine schlechte Nachricht
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