Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel
Schuld gestehen, Majestät, und nicht andere anklagen.»
«Mit meinem Tod hoffte man, Ramses zu treffen. Wenn du den König liebst, Iset, mußt du mir die Wahrheit sagen.»
«Du… du haßt mich jetzt nicht?»
«Du bist weder ehrgeizig noch heimtückisch, und du bringst den Mut auf, dich zu deinen Fehlern zu bekennen. Ich hasse dich nicht, sondern ich schätze dich darum noch mehr.»
Iset begann zu weinen, dann redete sie und redete und schüttete ihr Herz aus.
Am Ufer des Nils hatte Moses Tausende von Hebräern versammelt, zu denen sich ebenso viele Neugierige aus den verschiedenen Stadtvierteln gesellt hatten. Den Gerüchten zufolge würde der kriegerische Gott der Hebräer ein großes Wunder vollbringen, mit dem er beweisen wollte, daß er mächtiger sei als alle Götter Ägyptens zusammen. Sollte der Pharao nicht doch den Forderungen des Propheten stattgeben?
Gegen den Rat von Ameni und Serramanna hatte Ramses beschlossen, ihn gewähren zu lassen. Es wäre übertrieben gewesen, die Armee und Wachsoldaten einzusetzen, um die Massen zu zerstreuen. Weder Moses noch die Hebräer störten die öffentliche Ordnung, und die umherziehenden Händler beglückwünschten sich beim Anblick des Gewimmels.
Von der Terrasse seines Palastes aus betrachtete Ramses den Fluß, an dessen Ufer sich die Menschen ungeduldig drängten, doch er dachte vor allem mit Schaudern über das nach, was Nefertari ihm soeben enthüllt hatte.
«Besteht noch irgendein Zweifel?»
«Nein, Ramses, Iset ist aufrichtig.»
«Ich werde sie hart bestrafen müssen.»
«Ich bitte dich um Nachsicht mit ihr. Sie war doch nur aus Liebe nahe daran, diese furchtbare Tat zu begehen. Das Unabänderliche ist nicht geschehen, und dank ihrer wissen wir nun, wie sehr deine Schwester dich haßt, so sehr, daß sie auch vor einem Verbrechen nicht zurückschreckt.»
«Ich hoffte, sie habe die Dämonen, die so viele Jahre lang an ihrer Seele nagten, bezwungen… Aber ich habe mich geirrt.
Sie wird sich nie ändern.»
«Läßt du Dolente vor Gericht stellen?»
«Sie wird es leugnen und Iset beschuldigen, sie habe alles erfunden. Das Verfahren würde im Sande verlaufen und nur größtes Aufsehen erregen.»
«Soll die Anstifterin zu einem Mord ungestraft bleiben?»
«Nein, Nefertari. Dolente hat sich Isets bedient, und wir werden uns Dolentes bedienen.»
Am Ufer kam Unruhe auf, da und dort ertönte ein Schrei.
Moses warf seinen Stock in den Nil, der sich rötlich verfärbte.
Mit einer Schale schöpfte der Prophet ein wenig Wasser aus dem Fluß und goß es auf den Boden.
«Legt alle Zeugnis ab von diesem Wunder! Durch den Willen Jahwes hat sich das Wasser des Nils in Blut verwandelt. Und wenn sein Wunsch nicht erfüllt wird, strömt dieses Blut in alle Kanäle des Landes, und die Fische sterben. Das ist die erste Plage, die Ägypten heimsucht.»
Nun schöpfte auch Kha ein wenig dieses sonderbaren Wassers, das einen herben Geruch verströmte.
«Nichts dergleichen wird sich ereignen, Moses. Was du vorhergesagt hast, ist nur die rote Flut der Überschwemmung.
Einige Tage lang ist dieses Wasser nicht trinkbar, und es darf kein Fisch gegessen werden. Wenn es sich dabei um ein Wunder handelt, so beschert es uns die Natur, deren Gesetze wir achten müssen.»
Der junge und zierliche Kha empfand keinerlei Furcht vor dem hünenhaften Moses. Der Hebräer zügelte seinen Zorn.
«Das sind schöne Worte, aber was sagst du dazu, daß mein Stock dieses blutrote Wasser hervorgerufen hat?»
«Wer wollte bestreiten, daß Moses über prophetische Gaben verfügt? Du hast diese Veränderung des Wassers gespürt, die Kraft, die aus dem Süden kommt, und du hast gewußt, wann die rote Flut hier eintrifft. Du kennst dieses Land so gut wie ich, keines seiner Geheimnisse ist dir verborgen.»
«Bisher», fuhr Moses mit dröhnender Stimme fort, «hat sich Jahwe mit Warnungen begnügt. Da Ägypten beharrlich an Ihm zweifelt, wird Er weitere, noch schlimmere Plagen aussenden.»
NEUNUNDVIERZIG
ACHA TRUG DAS Sendschreiben eigenhändig zur Großen königlichen Gemahlin, die sich mit Ramses gerade über die Verwaltung der Speicher unterhielt.
«Hier ist die Antwort, auf die du gewartet hast, Majestät. Sie kommt von Königin Puducheba selbst. Ich hoffe, daß ihr Inhalt dich nicht enttäuscht.»
Die in kostbaren Stoff eingehüllte Schreibtafel trug Puduchebas Siegel.
«Bist du so freundlich, sie uns vorzulesen, Acha? Zum einen vermagst du hethitische Schriftzeichen meisterhaft
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