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Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel

Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel

Titel: Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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tagelang nichts, bis die Beute plötzlich in Sicht kam. Und selbst dann galt es noch, den richtigen Kurs einzuschlagen und abzuschätzen, ob sich der Fang lohnen mochte. Also hatte der Sarde seine Spürhunde ausgeschickt, in Memphis wie in Pi-Ramses und darüber hinaus, und sie mit Zeichnungen ausgestattet, die das Gesicht der ermordeten blonden Frau getreu wiedergaben.
    Irgend jemand würde letzten Endes schon mit der Sprache herausrücken.

    SECHS

    DIE SONNENSTADT ACHET-ATON, zu Zeiten des ketzerischen Pharaos Echnaton auf halbem Weg zwischen Memphis und Theben erbaut, war nur noch eine öde Stätte: leer die Paläste, die Wohnsitze der Vornehmen, die Arbeitsräume der Künstler, die Häuser der Handwerker; die Tempel für immer der Stille anheimgefallen; verwaist die breite Allee, durch die Echnatons und Nofretetes Prunkwagen gerollt war, die Straßen der Händler und die Gassen der einst dicht bevölkerten Wohnviertel.
    Diesen nunmehr trostlosen, vom Halbrund einer Gebirgskette geschützten Ort in einer weiten Ebene östlich des Nils hatte Echnaton einem einzigen Gott geweiht: dem in der Sonnenscheibe verkörperten Aton.
    Keines Menschen Fuß betrat mehr die vergessene Hauptstadt.
    Nach dem Tod des Königs waren ihre Bewohner nach Theben zurückgekehrt und hatten alles Kostbare, Archive, Möbel sowie ihren Hausrat mitgenommen. Da und dort waren einige Töpferwaren zurückgelassen worden und in der Werkstatt eines Bildhauers eine unvollendete Büste Nofretetes.
    Im Laufe der Jahre verfielen die Bauwerke. Die weiße Farbe blätterte von den Wänden, der Gips bröckelte. Zu schnell errichtet, vermochte die Sonnenstadt Gewitterregen und Sandstürmen nicht standzuhalten. Die gemeißelten Inschriften der Stelen, mit denen Echnaton den heiligen Bezirk Atons abgegrenzt hatte, verwitterten, die Zeit machte die Hieroglyphen unleserlich und ließ das wahnwitzige Abenteuer des geheimnisvollen Pharaos ins Nichts zurücksinken.

    Aus dem Fels waren Gräber für die Würdenträger des Landes herausgehauen worden, doch keine Mumie ruhte in ihnen. Sie waren ebenso aufgegeben worden wie die Stadt und seither seelenlos und ohne Schutz. Niemand wagte sich hierher, denn es ging das Gerücht um, Dämonen, die allzu neugierigen Besuchern das Genick brachen, hätten sich dieser Stätten bemächtigt.
    Hier verbargen sich Chenar, Ramses’ älterer Bruder, und der Magier Ofir. Sie waren in das für den Oberpriester des Aton vorgesehene Grab eingezogen, dessen Säulenhalle sich als recht behaglich erwies. An den Wänden erinnerten die Darstellungen der Tempel und Paläste an die verlorene Pracht der Sonnenstadt, und ein Bildhauer hatte Echnaton und Nofretete Unsterblichkeit verliehen, als er in den Stein meißelte, wie sie der Sonnenscheibe huldigten, aus der sich lange, in Hände mündende Strahlen auf das Königspaar herabsenkten und ihnen Leben spendeten.
    Oft kniff Chenar seine kleinen, braunen Augen zusammen und betrachtete die Reliefs, die Echnaton als Inkarnation der siegreichen Sonne darstellten. Der wohlbeleibte Mann mit dem runden, nahezu mondförmigen Gesicht, mit Pausbacken, wulstigen Lippen und schweren Knochen war mittlerweile fünfunddreißig Jahre alt, und er haßte die Sonne, das Schutzgestirn seines Bruders.
    Ramses, dieser Tyrann, den er mit Unterstützung der Hethiter zu stürzen versucht hatte! Ramses, der ihn in die Oasen verbannt hatte! Ramses, der ihn vor ein Gericht hatte stellen wollen, das die Todesstrafe über ihn verhängt hätte!
    Als man ihn aus dem großen Gefängnis von Memphis zur Zwangsarbeit in die Oasen bringen wollte, hatte Chenar während eines Sandsturms fliehen können. Der Haß auf seinen Bruder und sein Rachedurst hatten ihm die nötige Kraft gegeben, diese Prüfung lebend zu bestehen. Darauf hatte Chenar an dem einzigen Ort Zuflucht gesucht, an dem er in Sicherheit sein würde: in der ehemaligen und nunmehr verlassenen Hauptstadt des Ketzerkönigs.
    Hier war er von dem Mann empfangen worden, mit dem er die Verschwörung ausgeheckt hatte: Ofir, der geistige Führer der hethitischen Kundschafter. Der Libyer, dessen hageres Gesicht mit den vorstehenden Wangenknochen, der auffallend großen Nase, den schmalen Lippen und dem stark ausgeprägten Kinn an einen Raubvogel erinnerte, hätte Chenar dazu verhelfen sollen, Ramses’ Nachfolger zu werden.
    Erzürnt hob der Bruder des Pharaos einen Stein auf und schleuderte ihn gegen ein Bildnis Echnatons, wobei die Krone des Herrschers Schaden nahm.
    «Er sei

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