Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel
zu einem der wichtigsten Männer des Königreichs gemacht.
Doch Moses war von Zweifeln geplagt gewesen. Seit seinen Jugendjahren zerfraß ein Feuer seine Seele, und erst angesichts des brennenden Dornbusches, der loderte, ohne daß die Flammen ihn verzehrten, war die Unrast aus seinem Inneren gewichen. Endlich hatte der Hebräer seine wahre Bestimmung gefunden.
Die Männer auf den Pferden waren Beduinen.
An ihrer Spitze ritten der kahlköpfige, bärtige Arnos und der hochgewachsene, hagere Baduk, die beiden Stammesfürsten, die Ramses bei Kadesch belogen hatten, um ihn in eine Falle zu locken. Der Trupp umzingelte Moses.
«Wer bist du?»
«Moses, und das sind meine Frau und mein Sohn.»
«Moses… Bist du der ehemalige Freund von Ramses, der hohe Würdenträger, der sich einer Bluttat schuldig gemacht hat und in die Wüste geflohen ist?»
«Der bin ich.»
Arnos saß ab und beglückwünschte den Hebräer.
«Dann stehen wir auf derselben Seite. Auch wir bekämpfen Ramses, der einst dein Freund war und heute deinen Kopf fordert.»
«Er ist noch immer mein Bruder», beteuerte Moses.
«Du irrst. Sein Haß verfolgt dich ohne Unterlaß. Beduinen, Hebräer und Nomaden müssen sich mit den Hethitern verbünden, um diesen gewalttätigen Herrscher zu stürzen. Er ist so stark geworden, daß man sich die unglaublichsten Geschichten darüber erzählt, Moses. Komm mit uns, wir wollen die ägyptischen Truppen daran hindern, in Syrien einzufallen.»
«Ich bin nicht auf dem Weg nach Norden, sondern nach Süden.»
«Nach Süden?» wunderte sich Baduk voller Argwohn.
«Wohin gedenkst du zu gehen?»
«Nach Ägypten, nach Pi-Ramses.»
Arnos und Baduk blickten einander fassungslos an.
«Machst du dich über uns lustig?» fragte Arnos.
«Ich sage euch die Wahrheit.»
«Aber… man wird dich festnehmen und hinrichten!»
«Jahwe wird mich beschützen. Ich muß mein Volk aus Ägypten herausführen.»
«Du willst die Hebräer aus Ägypten herausführen? Hast du den Verstand verloren?»
«Das ist die Mission, die Jahwe mir aufgetragen hat, und ich werde sie erfüllen.»
Nun stieg auch Baduk vom Pferd.
«Rühre dich nicht von der Stelle, Moses!»
Die beiden Stammesfürsten traten ein wenig beiseite, um sich zu beraten, ohne daß der Hebräer sie hören konnte.
«Er ist von Sinnen», mutmaßte Baduk. «Gewiß hat er sich zu lange in der Wüste aufgehalten, das muß ihm den Kopf verwirrt haben.»
«Da täuschst du dich.»
«Ich? Ich täusche mich? Dieser Moses ist ein Narr, daran besteht kein Zweifel.»
«Nein, er ist ein listiger und entschlossener Mann.»
«Ein Unglücklicher, der mit Weib und Kind durch die Wüste irrt… Welch großartige List!»
«Ja, Baduk, großartig! Wer nimmt sich schon vor einem so Elenden in acht? Aber Moses ist in Ägypten noch sehr beliebt, und er trägt sich mit der Absicht, einen Aufstand der Hebräer anzuzetteln.»
«Ihm wird nicht der geringste Erfolg beschieden sein. Dazu lassen es die Soldaten des Pharaos erst gar nicht kommen.»
«Wenn wir ihm helfen, könnte er für uns nützlich werden.»
«Ihm helfen… Wie denn?»
«Indem wir ihn über die Grenze bringen und die Hebräer mit Waffen ausstatten. Wahrscheinlich werden die Ägypter sie niedermetzeln, aber dann hätten sie zuvor wenigstens in Pi-Ramses Unruhe gestiftet.»
In vollen Zügen atmete Moses die Luft des Deltas ein.
Obschon er hier nur Feindseligkeiten zu gewärtigen hatte, schlug ihn dieser Landstrich immer noch in seinen Bann. Er hätte ihn im Grunde hassen müssen, doch das sanfte Fruchtland und die lieblichen Palmenhaine bezauberten ihn aufs neue und riefen ihm den Traum eines jungen Mannes ins Gedächtnis, der einst Freund und Vertrauter des Pharaos von Ägypten gewesen war: den Traum, ein ganzes Leben lang an Ramses’ Seite zu bleiben und ihm Beistand zu leisten, wenn er seine Wunschvorstellungen von Wahrheit und Gerechtigkeit, die schon die Dynastien vor ihm gehegt hatten, an künftige Generationen weitergab. Aber das gehörte der Vergangenheit an; fortan würde Jahwe des Hebräers Schritte lenken.
Mit Baduks und Arnos’ Hilfe waren Moses, seine Frau und sein Sohn des Nachts auf ägyptisches Gebiet vorgedrungen und den Spähern entronnen, die zwischen zwei Festungen ihren Wachdienst versahen. Trotz ihrer Angst hatte Zippora weder Mißfallen geäußert noch Einwände erhoben. Moses war ihr Mann, sie schuldete ihm Gehorsam und würde ihm folgen, wohin er zu gehen wünschte.
Als die Sonne emporstieg und
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