Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel
Schenkeln empor.
Doch plötzlich hielt sie inne und schwankte wie ein kenterndes Schiff. Da umklammerte Benteschina ihren Hals.
«Herr, Herr! Wach auf!»
Als der Fürst die Augen aufschlug, merkte er, daß er im Begriff war, seinen Haushofmeister zu erwürgen. Das noch schwache Licht der Morgendämmerung erhellte das Gemach erst spärlich.
«Weshalb belästigst du mich zu so früher Stunde?»
« Steh auf, Herr, ich bitte dich, und sieh aus dem Fenster!»
Nur widerstrebend folgte Benteschina dem inständigen Flehen des Bediensteten, denn die Fülle seines schlaffen Leibes machte ihm das Gehen beschwerlich.
Kein Dunstschleier verwehrte den Blick auf das Meer. Der Tag versprach strahlend zu werden.
«Was gibt es denn zu sehen?»
«Dort drüben, Herr, an der Einfahrt in den Hafen!»
Benteschina rieb sich die Augen.
Vor der Einfahrt in den Hafen von Berytos lagen drei ägyptische Kriegsschiffe.
«Und wie steht es um die Straßen, die in die Stadt führen?»
«Auch sie sind versperrt. Auf ihnen ist ein gewaltiges ägyptisches Heer aufmarschiert. Wir sind belagert.»
«Ist Acha wohlauf?» fragte Benteschina. Der Haushofmeister senkte den Kopf.
«Auf deinen Befehl hin hat man ihn ins Gefängnis geworfen.»
«Bringe ihn zu mir!»
Ramses hatte mit eigener Hand seine zwei Pferde gefüttert.
Diese prächtigen Tiere trennten sich nie, ob Kampfgetümmel oder Friedenszeiten, stets blieben sie zusammen. Beide wußten die Liebkosungen des Herrschers zu schätzen und wieherten vor Stolz, wenn er sie zu ihrem Mut beglückwünschte. Auch die Gegenwart Schlächters, des nubischen Löwen, flößte ihnen keinerlei Furcht ein; hatten sie nicht gemeinsam mit der Raubkatze Tausenden hethitischer Krieger getrotzt?
Der General des Regiments Re verneigte sich vor dem König.
«Majestät, die Stadt ist abgeriegelt. Kein Bewohner von Berytos vermag uns zu entkommen. Wir sind zum Angriff bereit.»
«Fangt alle Karawanen ab, die in die Stadt hineingelangen wollen.»
«Sollen wir uns auf eine Belagerung einstellen?»
«Das kann schon sein. Falls Acha noch lebt, werden wir ihn befreien.»
«Es wäre sehr erfreulich, Majestät, aber das Leben eines einzigen Mannes…»
«Das Leben eines einzigen Mannes ist zuweilen sehr kostbar, Heerführer.»
Ramses blieb während des ganzen Vormittags bei seinen Pferden und seinem Löwen. Ihre Ruhe schien ihm ein gutes Vorzeichen zu sein. Und wahrhaftig, noch ehe die Sonne den höchsten Stand erreichte, wurde ihm die Nachricht überbracht, die er erwartet hatte:
«Benteschina, der Fürst von Amurru, bittet um Audienz.»
In ein weites Gewand aus bunter Seide gekleidet, das seine Leibesfülle verbarg, gab sich Benteschina heiter und sorglos.
«Sei mir gegrüßt, Sohn des Lichts, du…»
«Mir steht der Sinn nicht danach, die Schmeicheleien eines Verräters anzuhören.»
Doch der Fürst von Amurru verlor seine scheinbar gute Laune nicht.
«Dieses Gespräch sollte dazu dienen, unser Einvernehmen zu befördern, Majestät.»
«Indem du zu den Hethitern übergelaufen bist, hast du die falsche Wahl getroffen.»
«Aber ich habe einen entscheidenden Trumpf in der Hand: deinen Freund Acha.»
«Meinst du etwa, weil du ihn gefangenhältst, wird mich das davon abhalten, diese Stadt dem Erdboden gleichzumachen?»
«Dessen bin ich mir sogar sicher. Rühmen nicht alle Völker den Sinn für Freundschaft, der Ramses dem Großen eigen ist?
Ein Pharao, der ihm Nahestehenden die Treue bricht, würde den Zorn der Götter heraufbeschwören.»
«Lebt Acha noch?»
«Ja.»
«Ich verlange einen Beweis.»
«Majestät, du wirst deinen Freund und Obersten Gesandten sogleich oben auf dem Hauptturm meines Palastes erblicken.
Ich leugne nicht, daß Achas Aufenthalt im Gefängnis, nachdem er zu fliehen versucht hatte, ihm körperliche Unbill bereitet haben mag, doch er hat keinerlei ernsthaften Schaden genommen.»
«Was begehrst du für seine Freilassung?»
«Daß du mir verzeihst. Sobald ich dir deinen Freund wiedergebe, wirst du darüber hinwegsehen, daß ich dich ein wenig hintergangen habe, und du wirst in einer schriftlichen Verfügung ausdrücklich darauf hinweisen, daß du mir weiterhin Vertrauen schenkst. Das ist, wie ich zugebe, nicht wenig, aber ich muß mir meinen Thron und meine bescheidenen Güter erhalten. Ach, solltest du übrigens auf den bedauerlichen Gedanken verfallen, mich gefangenzunehmen, wird dein Freund selbstverständlich sterben.»
Ramses schwieg eine Weile.
«Ich muß darüber
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