Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel
nicht bekanntwerden durfte.
Moses erfreute sich nach wie vor großer Beliebtheit. Viele hofften darauf, daß er es wie früher verstehen würde, den Stolz des kleinen Volks der Ziegelmacher zu wecken. Diese Meinung teilte Libni jedoch nicht, den sie zu ihrem Oberhaupt ernannt hatten, um zwischen den verschiedenen Sippen einen gewissen Zusammenhalt zu bewahren.
«Weshalb bist du zurückgekommen, Moses?» fragte der Greis mit rauher Stimme.
«Weil ich im Gebirge einen Dornbusch brennen sah, den die Flammen nicht verzehrten.»
«Ein Trugbild.»
«Nein, das Zeichen für die Anwesenheit Gottes.»
«Hast du den Verstand verloren, Moses?»
«Gott hat mich aus diesem Dornbusch gerufen, und Er hat zu mir gesprochen.»
Die Alten murrten.
«Was hat Er zu dir gesagt?»
«Gott hat das Klagen und Stöhnen der unter das Joch der Knechtschaft gezwungenen Kinder Israels vernommen.»
«Das ist Unsinn, Moses, wir sind freie Arbeiter und keine Kriegsgefangenen!»
«Den Hebräern steht es nicht frei, nach eigenem Gutdünken zu handeln.»
«Aber doch, gewiß! Was willst du denn mit deinen Worten erreichen?»
«Gott hat zu mir gesagt: ‹Wenn du das Volk aus Ägypten geführt hast, werdet ihr Gott opfern auf diesem Berge.›»
Die Stammesältesten sahen einander bestürzt an.
«Aus Ägypten geführt!» rief einer. «Was soll das heißen?»
«Gott hat das Elend seines Volkes in Ägypten gesehen, Er möchte es davon erlösen und ihm den Weg in ein weites, fruchtbares Land weisen.»
Libni geriet in Zorn.
«Dein Aufenthalt in der Fremde hat dir die Sinne verwirrt, Moses. Wir haben uns vor langer Zeit hier niedergelassen, du selbst bist hier geboren, und dieses Land ist unsere Heimat geworden.»
«Ich habe mehrere Jahre in Midian zugebracht, dort als Hirte gearbeitet, mich vermählt, und ich habe einen Sohn. Ich war überzeugt, daß mein Leben seine endgültige Wendung genommen hätte, doch Gott entschied anders.»
«Du mußtest fliehen, nachdem du eine Bluttat begangen hattest.»
«Ja, ich habe einen Ägypter getötet, weil er einen Hebräer zu töten drohte.»
«Man kann Moses keinen Vorwurf machen», versuchte einer der Stammesführer zu vermitteln. «Jetzt ist es an uns, ihn zu beschützen.»
Die anderen Mitglieder des Rates pflichteten ihm bei.
«Wenn du hier leben möchtest, werden wir dich verbergen», erklärte Libni, «aber du mußt deine unsinnigen Pläne fallenlassen.»
«Ich werde euch zu überzeugen wissen, so es not tut, auch einen nach dem anderen, denn das ist der Wille Gottes.»
«Wir tragen uns nicht mit der Absicht, Ägypten zu verlassen», beteuerte der jüngste Stammesführer. «Wir nennen hier Häuser und Gärten unser eigen, den besten Ziegelmachern wurde jüngst mehr Lohn zugesprochen, und jeder kann sich satt essen. Warum sollten wir dieses behagliche Leben aufgeben?»
«Weil ich euch ins Gelobte Land geleiten muß.»
«Du bist nicht unser Anführer», wandte Libni ein, «und du wirst uns nicht vorschreiben, was wir zu tun haben.»
«Auch du wirst gehorchen, weil Gott es fordert.»
«Weißt du, mit wem du sprichst?»
«Es lag mir fern, dich zu kränken, Libni, aber ich darf meine Absichten nicht verhehlen. Welcher Mensch wäre so hochmütig, zu glauben, daß sein Wille stärker sei als der Wille Gottes?»
«Solltest du wahrhaftig von Ihm ausgesandt sein, wirst du dies unter Beweis stellen müssen.»
«Beweise wird es zuhauf geben, sei ohne Sorge.»
Acha lag auf einem weichen Bett und ließ sich von Lotos massieren, deren streichelnde Hände alle Schmerzen und Anspannungen verscheuchten. Obgleich die hübsche Nubierin so zerbrechlich anmutete, zeugten ihre Bewegungen doch von erstaunlicher Kraft.
«Wie fühlst du dich?»
«Besser… Aber im unteren Bereich der Lenden tut es noch unerträglich weh.»
«Du wirst es schon ertragen!» knurrte Setaou, der soeben in Achas Zelt eingetreten war.
«Deine Frau ist göttlich.»
«Mag sein, aber sie ist meine Frau!»
«Setaou! Du wirst doch nicht denken…»
«Unterhändler und Gesandte sind ebenso listenreich wie lügnerisch, und du, du bist der Erste unter ihnen. Steh auf, Ramses erwartet uns.»
Acha wandte sich an Lotos.
«Kannst du mir dabei helfen?»
Da zog Setaou ihn an einem Arm hoch und zwang ihn, sich auf die Beine zu stellen.
«Du bist vollkommen genesen. Fortan bedarfst du keiner Massagen mehr!»
Der Schlangenkundige reichte dem Gesandten einen Schurz und ein Hemd.
«Beeile dich, der König kann es nicht ausstehen, wenn
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