Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel
er Hebräer ist, wie du und ich.»
«Ich heiße Aaron, und ich habe einigen Einfluß in unserer Gemeinschaft. Du darfst nicht länger schweigen, denn ein räudiges Schaf kann eine ganze Herde anstecken.»
«Was kann mir das heute noch bedeuten… Ich bin allein und habe vom Leben nichts mehr zu erwarten.»
«Trotz deiner Not mußt du an andere denken. Dieser Mann gehört bestraft.»
«Er heißt Abner», murmelte der Bettler.
Nun hatte Aaron einen triftigen Grund, über Abner zu klagen.
Noch am selben Abend berief er den Rat der Ältesten und der Stammesführer ein und erzählte ihnen vom Elend des ehemaligen Getreidehändlers.
«Vor kurzem hat Abner angeblich auch Ziegelmacher erpreßt», räumte einer der Ältesten ein, «aber sie haben Stillschweigen bewahrt, und es sind nur Gerüchte an unsere Ohren gedrungen. Das erklärt, weshalb ihm der Sinn nicht danach steht, vor einem Gericht zu erscheinen. Er wartet lieber ab, bis sich die ganze Aufregung legt.»
«Moses ist im Gefängnis, und nur Abners Zeugenaussage könnte ihn retten!»
In ihrer Verlegenheit hüteten die Männer sich, eindeutig Stellung zu beziehen. Da faßte einer ihre Meinungen zusammen:
«Sagen wir es doch ehrlich: Moses hat einen Mord begangen, der auf alle Hebräer ein schlechtes Licht geworfen hat. Wenn er bestraft wird, ist das gerecht. Noch dazu ist er zurückgekehrt, um mit seinen unsinnigen Plänen bei uns Unruhe zu stiften. Die Vorsicht gebietet es, den Dingen ihren Lauf zu lassen.»
Da wurde Aaron zornig.
«Feigling unter Feiglingen! Ihr schützt also lieber einen Schurken wie Abner und schickt Moses, der für uns gekämpft hat, in den Tod! Möge Jahwe Unglück und Not über euch bringen!»
Der Älteste der Versammlung erhob lautstark seine Stimme.
«Aaron hat recht, unser Verhalten ist verachtenswert.»
«Wir haben Abner unseren Schutz zugesichert», erinnerte ein Stammesführer die Anwesenden. «Es steht uns nicht zu, ihn auf einige nicht erwiesene Anschuldigungen hin zu zwingen, sich selbst in Gefahr zu bringen.»
Aaron hämmerte mit seinem Stock auf den Boden.
«Hat Abner dir nicht geholfen, dich auf Kosten unserer Brüder zu bereichern?»
«Was erdreistest du dich!»
«Stellen wir den Bettler und Abner einander gegenüber.»
«Dein Vorschlag wird angenommen», erklärte der Älteste.
Abner verbarg sich im Herzen des Ziegelmacherviertels, in einem zweistöckigen Haus, aus dem er erst nach der Verurteilung von Moses herauskommen wollte. Zu Reichtum und Ansehen gelangt, stopfte er sich mit Kuchen voll und verschlief den größten Teil der Zeit.
Als die Kunde vom Beschluß des Rates zu ihm gedrungen war, hatte er nur gelacht. Das Wort eines Bettlers würde weniger wiegen als seines, und schließlich konnte er immer noch das hebräische Volk anklagen, das einen Mann seinem Elend überließ, denn das verstieß gegen ägyptisches Gesetz.
Sollte die Sache wider Erwarten eine unangenehme Wendung nehmen, würden seine Verbündeten schon dafür sorgen, daß dieser erbärmliche Ankläger verschwand.
Die Begegnung fand im Erdgeschoß des Hauses statt, im Empfangszimmer, in dem man Kissen auf die Bänke gelegt hatte. Anwesend waren der Älteste des Rates, ein von seinen Brüdern dahin beorderter Stammesführer und Aaron. Er stützte den gebeugten Bettler, der kaum zu gehen vermochte.
Abner lächelte spöttisch.
«Das ist also der arme Tropf, der sich in seinem Wahn üble Dinge über mich ausdenkt… Ist er überhaupt imstande zu sprechen? Das klügste wäre, ihm etwas zu essen zu geben und ihn auf einen Bauernhof im Delta zu schicken, wo er seine Tage beschließen kann.»
Aaron half dem Bettler, sich hinzusetzen.
«Wir können dir Schmach ersparen», erklärte der Älteste des Rates, «wenn du bereit bist, zugunsten von Moses auszusagen und den Hergang der Tat so zu bestätigen, wie du ihn damals geschildert und unterschrieben hast.»
«Moses ist ein gefährlicher Hitzkopf. Ich habe vielen unserer Brüder zu Wohlstand verholfen. Weshalb sollte ich unnötige Wagnisse eingehen?»
«Um der Wahrheit willen», entgegnete Aaron.
«Sie ist so wandelbar… Und was hilft es denn, Moses zu befreien? Er bleibt dennoch ein Mörder. Wir haben nichts dabei zu gewinnen, wenn wir uns in diese Angelegenheit einmischen.»
«Moses hat dein Leben gerettet, du mußt jetzt das seine retten.»
«Diese Ereignisse liegen so weit zurück, ich erinnere mich nicht mehr so genau daran… Ist es nicht besser, an die Zukunft zu denken? Meine
Weitere Kostenlose Bücher