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Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel

Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel

Titel: Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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ich noch nie gesehen, Majestät. Wir können nicht mehr vor und nicht mehr zurück. Wie seltsam… Ich würde schworen, irgend jemand hat sie hier
    zusammengetrieben.»
    Der Pharao war sich über die Gefahr im klaren.
    Ausgewachsene Flußpferde wogen soviel wie mehrere hundert Scheffel Getreide, und sie waren mit gefährlichen Waffen ausgestattet: mit ellenlangen gelben Eckzähnen, die Löcher in den Rumpf eines Schiffes schlagen konnten. Im Wasser fühlten sich diese überaus reizbaren Herren des Nils für gewöhnlich sehr wohl und schwammen mit erstaunlicher Geschmeidigkeit. Sobald sie jedoch in Wut ausbrachen, klappten sie bedrohlich ihre riesigen Kiefer auseinander, daß es aussah, als gähnten sie.
    «Falls die männlichen Leittiere beschlossen haben, um ein Weibchen zu kämpfen», erklärte Lotos, «verwüsten sie alles, was sich ihnen in den Weg stellt, und versenken auch unsere Schiffe. Viele von uns werden dann in Stücke gerissen oder müssen ertrinken.»

    Dutzende von Ohren zuckten, halbgeschlossene Augen öffneten sich, Nasenlöcher tauchten an der Wasseroberfläche auf, Mäuler wurden aufgesperrt, und ihr unheimliches Grunzen schreckte die Reiher hoch, die auf den Akazien hockten. Die Leiber der Bullen wiesen Narben auf, die Spuren erbitterter Kämpfe, von denen mancher erst mit dem Tod eines Gegners sein Ende gefunden hatte.
    Der Anblick der furchterregenden gelben Eckzähne lähmte die Schiffer. Schnell machten sie einige Bullen aus, die etwa zwanzig Tiere zählende Herden anführten und zunehmend unruhiger wurden. Falls sie zum Angriff übergingen, würden sie zunächst die Steuerruder zermalmen, die Boote damit unlenkbar machen und sie dann so lange mit ihren massigen Leibern rammen, bis sie sanken. Es war sinnlos, ins Wasser zu springen und schwimmen zu wollen, denn wie hätte man sich inmitten dieser wütenden Ungeheuer einen Weg zum Ufer bahnen sollen?
    «Wir müssen sie abschießen», empfahl Setaou.
    «Es sind zu viele», befand Ramses. «Wir könnten nur einige töten und würden erst recht den Zorn der anderen auf uns ziehen.»
    «Aber wir werden uns doch nicht tatenlos umbringen lassen.»
    «Habe ich mich bei Kadesch etwa so verhalten? Mein Vater Amun gebietet über den Wind. Schweigen wir, auf daß seine Stimme hörbar werde.»
    Ramses und Nefertari erhoben in Opferhaltung die Arme, die Handflächen gen Himmel gekehrt, und wie ein Sphinx, den Blick ins Leere gerichtet, lag der riesige Löwe zur Rechten seines Herrn.
    Der Befehl wurde von Schiff zu Schiff weitergegeben, bis auf allen Booten Schweigen herrschte.
    Die ersten Flußpferde klappten langsam ihre Mäuler zu. Die Herren des Nils mit der empfindlichen Haut tauchten unter, und schließlich waren nur noch ihre Nasenlöcher, die wieder halb geschlossenen Augen und die Ohren zu sehen, als ob sie eingeschlafen wären.
    Eine ganze Weile lang rührte sich nichts.
    Dann streifte der auffrischende Nordwind Lotos’ Wange, eine Brise, die den Atem des Lebens verkörperte. Das königliche Schiff bewegte sich sachte vorwärts, und schon bald folgten ihm die übrigen Boote, die zwischen den nunmehr besänftigten Flußpferden wieder an Fahrt gewannen.
    In der Krone einer Dumpalme, auf die er hinaufgeklettert war, um zuzusehen, wie das Schiff des Königs unterging, wurde Chenar Zeuge des neuen Wunders, das Ramses soeben vollbracht hatte. Ein Wunder… nein, unbeschreibliches Glück, daß mitten am Tag, in der Gluthitze Nubiens, unerwartet Wind aufgekommen war.

    ACHTUNDDREISSIG

    WÄHREND DER HEISSEN Jahreszeit ruhte bei den hebräischen Ziegelmachern die Arbeit. Die einen nutzten die Gelegenheit, um sich im Kreise ihrer Familie zu erholen, die anderen besserten ihren Lohn auf und verdingten sich als Gärtner. Die Obsternte versprach beachtlich auszufallen. Deshalb würden die berühmten Äpfel aus Pi-Ramses bei so manchem Gastmahl die Tafel zieren.
    Die Schönen der Stadt dösten in von Kletterpflanzen überwucherten Lauben vor sich hin oder badeten in den künstlich angelegten Seen, in denen die jungen Männer vor ihnen auf und ab schwammen oder wahre Kunststückchen vollführten, um sie zu beeindrucken, indes die älteren Leute im Schatten der auf Spalieren gezogenen Weinreben Kühlung suchten. Alle erzählten einander die letzte heldenhafte Tat des Pharaos, der mit Hilfe seiner Magie eine riesige Herde aufgebrachter Flußpferde besänftigt hatte. Und immer wieder erklang der Kehrreim des Liedes: «Welche Wonne ist es, in Pi-Ramses zu wohnen, wo

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