Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel
Muwatallis Fingern nicht mehr stand und barst wie eine reife Frucht. Vor Schreck ließ sein Sohn den Dolch fallen, der auf den Steinplatten davonrollte.
In dem nordöstlich der hethitischen Hauptstadt an einem Berghang gelegenen Felsenheiligtum Yazilikaya wuschen die Priester die Statue des Wettergottes, um ihm seine Macht zu erhalten. Dann vollzogen sie die Rituale, mit denen das Chaos zurückgedrängt und in der Erde eingeschlossen werden sollte.
Darauf schlugen sie sieben Nägel aus Eisen, sieben aus Bronze und sieben aus Kupfer ein, ehe sie ein junges Schwein opferten, dem dunkle, das Gleichgewicht des Landes bedrohende Kräfte innewohnten.
Nach dieser Zeremonie schritten sie an dem Relief der Zwölfgötter vorüber, blieben vor einem steinernen Tisch stehen und nahmen einen starken, berauschenden Trank zu sich, um jedweden Mißmut aus ihren Gedanken zu verbannen.
Danach begaben sie sich über eine aus dem Stein gehauene Treppe in eine Kapelle im Inneren des Felsens, um dort zu beten.
Ein Priester und eine Priesterin verließen den feierlichen Zug und stiegen in eine unterirdische, von Öllampen beleuchtete Kammer hinunter. Dort nahmen Hattuschili und Puducheba die Kapuzen ab, die ihre Gesichter verhüllt hatten.
«Dieser Augenblick des Friedens hat mir neue Kraft verliehen», bekannte Puducheba.
«Hier sind wir in Sicherheit», beteuerte Hattuschili. «Keiner von Uriteschups Soldaten wird sich in diesen heiligen Bereich vorwagen. Zur Vorsicht habe ich dennoch Späher rund um das Heiligtum aufgestellt. Bist du mit der Reise, die du unternommen hast, zufrieden?»
«Die Ergebnisse haben meine Erwartungen übertroffen. Viele Offiziere sind Uriteschup weniger ergeben, als wir es vermutet hätten, und sie sind sehr empfänglich für die Vorstellung, ein hübsches Vermögen zu erwerben, ohne sich dafür töten zu lassen. Manche sind sich auch über die Gefahr im klaren, die von Assyrien ausgeht, und erachten es für notwendig, unsere Verteidigungsanlagen auszubauen, anstatt uns in ein törichtes Abenteuer zu stürzen und Ägypten anzugreifen.»
Hattuschili sog die Worte seiner Gemahlin wie Nektar ein.
«Träume ich, Puducheba, oder bringst du mir wirklich neue Hoffnung?»
« Achas Gold hat Wunder bewirkt und so manche Zunge gelöst. Es gibt hohe Offiziere, die Uriteschups Anmaßung, Hoffart und Grausamkeit verabscheuen. Sie glauben nicht mehr an sein eitles Gerede und auch nicht mehr an seine Fähigkeit, Ramses zu besiegen, und sie verzeihen ihm nicht, wie er sich dem König gegenüber gebärdet. Gewiß, er hat es nicht gewagt, ihn zu ermorden, aber sehnt er nicht unverhohlen seinen Tod herbei? Wenn wir geschickt vorgehen, wird Uriteschups Herrschaft nur von kurzer Dauer sein.»
«Mein Bruder liegt im Sterben, und ich vermag ihm nicht zu helfen…»
«Möchtest du, daß wir einen Gewaltstreich versuchen?»
«Das wäre ein Fehler, Puducheba. Muwatallis Schicksal ist besiegelt.»
Die schöne Priesterin betrachtete ihren Gemahl voller Bewunderung.
«Bringst du den Mut auf, deine Gefühle zu opfern, um über Hatti zu herrschen?»
«Wenn es sein muß… Aber die Gefühle, die mich mit dir verbinden, sind unzerstörbar.»
«Wir werden gemeinsam kämpfen, und wir werden gemeinsam siegen, Hattuschili. Wie haben dich die Kaufleute empfangen?»
«Ihr Vertrauen ist unvermindert. Wegen der Fehler, die Uriteschup begeht, ist es sogar noch gewachsen. Ihrer Meinung nach wird er das Königreich ins Verderben stürzen. Wir haben die Unterstützung der Provinzen, aber nicht die der Hauptstadt.»
«Das Gold von Acha ist bei weitem noch nicht aufgebraucht.
Ich werde mich nach Hattuscha begeben und Offiziere hohen Ranges dazu überreden, sich auf unsere Seite zu stellen.»
«Und wenn du Uriteschup in die Hände fällst…»
«Wir haben Freunde in Hattuscha. Sie werden mir Unterschlupf gewähren, und ich werde dafür Sorge tragen, daß ich nur kurze Gespräche an verschiedenen Orten führe.»
«Das ist zu gefährlich, Puducheba.»
«Gönnen wir Uriteschup keine Atempause und verlieren wir keine Stunde Zeit.»
Acha schlief noch halb, während sich die Zunge der jungen blonden Hethiterin langsam seinen Rücken hinauftastete. Als sich das Vergnügen seiner Sinne bemächtigte, erwachte er aus seinem Dämmerzustand, drehte sich zur Seite und schlang die Arme um die Geliebte, deren Brüste bebten. Er schickte sich gerade an, sie mit noch nie dagewesener Zärtlichkeit zu belohnen, als Uriteschup unerwartet in das
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