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Ramses Mueller

Titel: Ramses Mueller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tex Rubinowitz
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arbeite er in einem Geheimlabor, das darf ja niemand wissen, dass man die Geräte absichtlich kaputt macht, diese sogenannte Sollbruchstelle sei auch nicht sichtbar, unbekannt, wo sie sitzt, das wisse nur er, er müsse strafandrohende Papiere unterfertigen , jawohl »unterfertigen« sagen die noch immer, Nazideutsch, dass er nichts preisgibt, das ist ein sehr interessanter Job, aber auch eine extrem heikle Mission.
    – Ich möchte einen Zug besteigen und aussteigen, wenn ich achtzehn bin.
    Lydia sieht nicht gut aus, blasser gar als Kefir jetzt, wie Molke, blasses Wasser, ihr Satz ist an Armin gerichtet, in dessen unsicherer Mimik sie eine ähnliche Ausgesetztheit zu erkennen glaubt.
    – Aber du bist doch schon etwas älter als 18, nicht?
    – Ich werde zurückfahren.
    Die kleine Gesellschaft löst sich in der großen langsam auf, man treibt zum Klo, zur Küche, wo ein kleiner Imbiss vorbereitet wurde, Salzmandeln, Dörrpflaumen, mit Gewürznelken gespickte Zwiebeln (wer isst denn so was?), zwiebackartige lange Brotstangen, Eiersalat, eine große Schüssel mit einer orangefarbenen Schmiere, ein riesiger Berg Surimi, also diese Stäbchen aus künstlichem Krebsfleisch (Schubals Lieblingssnack), Zigarettenböreks, Knoppers und Snickers, man geht ins Badezimmer, wo natürlich in der Badewanne die Bierflaschen inmitten ihrer Etiketten schwimmen, so, als würden die Flaschen herbstliche Bäume imitieren, und wenn man zurückkommt an den alten Ort, ist der Gesprächspartner von eben weg. Schubal steht mit dem mal nach links, mal nach rechts gelegten Kopf am Bücherregal und liest die sich ihm entgegenwölbenden Rücken. Armin bekommt wieder das Ziehen über dem linken Auge, aber diesmal kein stressbedingtes, sondern ein ankündigendes, so, als sei dort eine kleine rote Lampe (Code Rot), er ahnt bzw. spürt, dass sich das morgen zu Depressionen materialisieren wird, schnell noch ein paar kleine Bierflaschen runterjagen, Nerven entspannen, die Kabel auseinanderfummeln, alles bügeln, normalerweise trinkt er große Biere, das ist gut zu kalkulieren, der Schmerz, die Kleinheit, die Scham, die Zweifel, das »große Nagetier« am nächsten Morgen war mathematisch erklärbar, und war das Tier sehr groß, rechnete er zusammen, was er gestern alles hatte, und waren es nur vier Bier, war das Tier schon nicht mehr so groß, und man konnte auf ihm möglicherweise sogar reiten, das System versucht ihn immer zu überlisten, wie die Kneifzange den Nagel, aber er ist meistens weiter, die Mathematik und die Physik würden, wenn man vernünftig trinkt, das psychische System, das da ist, um ihn zu schützen, schon durchschauen, aber, wie gesagt, das geht nur bei diszipliniertem Trinken, nichts durcheinander, immer schön beim selben Maß bleiben, dann kann nichts passieren. Jetzt trinkt er schon den ganzen Abend die vielen kleinen Biere, die wie die Ameisen ankommen, wie gefährlich sie sind, er hatte schon lange aufgehört zu zählen (3 kl = 2 gr), dann kommen die in solchen Gesellschaften unvermeidlichen Caipirinhas dazu, die jemand (sieht aus wie Tim Mälzer, ist er vermutlich auch) in der Küche zusammenstampft, und zwar nicht mit Rum, sondern, wie es seit einiger Zeit en vogue ist in bestimmten intellektuellen Kreisen, mit Vogelbeerschnaps, das Rezept hatte, Gerüchten zufolge, wohl Roger Willemsen entwickelt, und die Tierpanik meldet sich also jetzt überm linken Auge, aber man kann ja die Angst einfach fluten, die Vernunft wegschwemmen, er fühlt sich wohler im Moment, so schnell gäbe es keinen Ortswechsel und keinen neuen Morgen, Willemsen ist natürlich da, so, als müsse er die ordnungsmäßige Zubereitung seines Getränks überwachen, Charlotte Roche, Blixa Bargeld, Mattias Matussek, den sie gerade beim Spiegel geschasst hatten (sitzt jetzt im Archiv), Niels Ruf, auch er ein Wormser, darf ebenfalls nicht fehlen, er kriecht auf allen vieren, so, als suche er etwas, seine Kontaktlinsen vielleicht, oder es ist ein perverses Rollenspiel (»Ich bin ein Igel, wer will auf mir reiten?«), Wladimir Sorokin, Feridun Zaimoglu, die zwei Schriftsteller, vertieft im ernsten Gespräch, über Armenien wahrscheinlich, ein Typ, den man auch irgendwie zu kennen glaubt und den sie »Die Glasscheibe« nennen, Barbara Becker, von Heinz Strunk unappetitlich befingert, Bud Spencer (gehört neuerdings auch zur Schlingensief-Family) hat gerade Jonathan Meese im Schwitzkasten und gibt ihm Kopfnüsse, Meese quiekt wie ein Gibbon (und sieht auch so aus),

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