Ramses Mueller
ist das ja schon mal nicht, das Lied heißt auch irgendwie Walk away , eine Aufforderung vielleicht? Nichts lieber als das, gut, Blase leer, Gehirn kann wieder einigermaßen arbeiten, ich muss jetzt nur noch die Murmel unterm Bett finden. Ramses steht im Schlafzimmer und hat einen mauvefarbenen Morgenmantel an, schimmernd wie Seide, unten eine Borte mit Quasten wie bei einem Vorhang und an den Ärmeln drei Adidasstreifen, und drunter trägt er Hosen, die aussehen wie Jogginghosen, nur dass sie aus Gabardine gemacht sind und er sie unten mit zwei weißen Streifen aus alten weißen Handtüchern zusammengeschnürt hat.
– Ich geh mal duschen, machst du Kaffee oder so was, Toast ist im Kühlschrank.
Der lila Adidasbademantel, diese Hose, das eiskalte Brot, der Zug fährt wieder in die andere Richtung, also doch schwul, im Hintergrund wabert das Gegrunze »Walk away in silence«, Armin findet die Küche, im Kühlschrank abgepackter Tilsiter und Lätta Halbfettmargarine und tatsächlich eine Packung Toastbrot (mit Kleie), einen Toaster findet er allerdings nicht. »I hope I die before I awake«, singt nach dem unfrohen Geraune jetzt eine Fistelstimme, na ja, dafür ist es jetzt zu spät, muss man sich den Tag eben, so gut es geht, zurechtzimmern, Ramses kommt aus dem Bad, an seiner Nase hängt ein Tropfen, aha, Gesicht vergessen abzutrocknen, scheint uneitel, beachtet sein Gesicht nicht, sympathisch eigentlich, er kam bisher ganz anders rüber.
– Und?
– Was?
– Alles gefunden?
– Ja, aber wo ist der Toaster?
– Ich mach das im Rohr.
Ramses öffnet den Backofen und zieht den Rost heraus, legt mit Käsescheiben belegte Toasts auf das Gitter, obendrauf streut er noch rote Johannisbeeren, die in einer kleinen Schüssel auf dem Kühlschrank stehen, auf der Schüssel steht »Fix your information«.
– Schmeckt gut und sieht gut aus, besser als Toast Hawaii, Toast Ramses, sozusagen, Brot wird knuspriger, wenn es zuerst gekühlt und dann erhitzt wird, das ist das umgekehrte Gefriertrockenverfahren von Pulverkaffee, man erreicht da wirklich ganz erstaunliche Resultate, das ist im Prinzip das, was in der Molekularküche von Ferran Adrià und dem ganzen Rattenschwanz an Epigonen auch gemacht wird, arbeiten mit Stickstoff unterhalb des Gefrierpunkts. Ramses’ Ausführungen machen Armin plötzlich sehr müde, lullen ihn ein, müde und melancholisch, die ganze Euphorie vom Klo ist plötzlich wie Stickstoff verpufft, was mag Schubal jetzt wohl machen, eine große Milde gegen Schubal entsteht, obwohl er ihn ja hier in diese Lage geritten hat, wenn er jetzt neben Schubal aufgewacht wäre, wäre doch alles geordneter, er hätte sich nicht wegschleichen müssen, hätte bei ihm entspannt frühstücken können, egal was, sie hätten den gestrigen Abend noch mal abspulen können, »Revue passieren lassen«, wie es immer heißt, er hatte ja noch Charlotte Roche an gesprochen, jedenfalls meinte er sich daran zu erinnern, wie man es schaffe, unverkrampft das Wort »Fotze« aus zusprechen, hatte er sie gefragt, sie schaute ihn mit großen Augen an, so, als höre sie das Wort zum ersten Mal, man müsse sich über Standesdünkel erheben können und sozusagen mit der Zunge einer anderen Gesellschaftsklasse sprechen, nur so gehe das, wie die Kinder, die haben, wenn sie den Sinn eines Wortes nicht kennen, auch keine Berührungsangst vor zweifelhaften Wörtern, mit Dingen schon gar nicht, finden sogar Scheiße lustig, Charlotte fragte ihn schnippisch, warum man denn das Wort »Kotze« unverkrampft aussprechen solle? Da hing sie, seine schöne Theorie, wie ein einzelner Turnschuh an einer Strom leitung, während sich Charlotte einem Typen zuwandte, der Norbert Blüm sein musste, und über einen Witz von ihm gackerte, mit gekräuselter Nase, ihrem Markenzeichen.
Ramses und Armin sitzen jetzt schweigend am Küchentisch, trinken löslichen Nescafé (»meine Nespressomaschine eiert, kommt immer ein Schwall heißes Wasser aus dem Nozzle «) und essen, nein mampfen Toast Ramses, das Brot ist wie Pappmaché und wie Gummi der Käse, von dem die Beeren kullern, sie sind nicht eingesunken, wie es wohl beabsichtigt war, zu leicht vermutlich, sie kullern vom Brot wie seine Murmel vorhin unters Bett, die Murmel, die er schon seit acht Jahren in der Hosentasche hat, ein Geschenk einer Iranerin namens Simone, soll Glück bringen, tja, welches Glück? Es klingelt.
– Das werden Lydia und Armin sein, muss mir was anziehen.
Ramses springt auf, aha,
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