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Ramses Mueller

Titel: Ramses Mueller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tex Rubinowitz
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Aber hast du doch gesagt.
    – Gesagt hab ich, dass es eine fiktionale Bio ist.
    – Aber Duke Ellington gab es doch, oder lebt der noch?
    – Nein, ist schon tot, ich benutze nur seinen Namen, kommt schon auch Swing vor, aber auch andere Sachen, ich siedele eine Geschichte im Swingmilieu an, sodass sowohl Swingfans als auch Freunde von …
    – Von?
    Barre ist am Ende, ihm fällt nichts mehr ein, das fröhliche Fabulieren und seine gleichzeitige innerliche Verklumpung ermatten ihn wie eine Florfliege im Herbst, warum soll er jetzt auch noch so detailreich über die nicht existente Duke-Ellington-Biografie reden, was soll das alles hier, er muss mal und will nicht über Soloalbum reden, stattdessen jetzt das, er, Schlingensief ist ja hier auch nicht Schlingensief, Walter Mitty, wie albern, was mischt er sich hier ein, andererseits, er, Ben, spielt das ja mit, das macht ihm doch Spaß, bisschen flunkern hier, dann dort ausschmücken, geht doch eigentlich, aber dann bitte unter normalen, geordneten Umständen, wenn der Kopf klar und der Körper leer ist.
    – Von Zwergen.
    – Du schreibst eine Swingbiografie, in der Zwerge vorkommen?
    – Ich schreib nicht, ich hab schon, und ist auch keine Swingbiografie, sondern eine über Duke Ellington.
    – Und wieso kommen da Zwerge vor? Um ihn größer zu machen?
    – Nein, das ist das Fantasy-Element. Das ist die Parallelebene, das ist jetzt zu kompliziert zu erklären, das ist total verschachtelt, vielleicht liest du das dann ja, wenn es im Oktober rauskommt, Luchterhand, wie gesagt.
    – Swing und Fantasy, das klingt ja interessant, ich glaube, so einen Genrebastard gab’s noch nie, vor allem nicht bei Luchterhand, richtig?
    – Alles braucht immer ein erstes Mal.
    – Genau, gib den Zwergen die Zeit, die sie brauchen.
    – Die Uhr ist für die Dummen, die Klugen wissen ihre Zeit.
    – Fällt der Baum wirklich um, auch wenn niemand im Wald ist?
    Das könnte man jetzt ewig so weitermachen, mit dieser Masche, »sei es, wie es sei«, »so ist es und so war es«, so denken beide, man könnte sich so den ganzen Tag unterhalten, dafür sind diese Redensarten ja auch gemacht worden, dass auch rhetorisch nicht so gut Gerüstete ohne große Sorgen aktiv und gleichberechtigt an jedem Gespräch teilnehmen können, aber selbst bei diesem Überangebot und auch wenn die beiden nicht darauf angewiesen sind, sondern daraus einen Wettbewerb machen könnten, wer am längsten durchhält, fehlt hier Schlingensief und Barre dafür der Atem, oder sie kennen sich noch nicht gut genug für Spiele dieser Art.
    – Im Laufe des Lebens werden die Jahre immer kürzer.
    – Ich muss jetzt hier weitermachen, Ben, wollen wir uns heute in der Hundekehle treffen, würd gerne mit dir bisschen weiterquatschen.
    – Hundekehle?
    – Die Bar in der Tor-, Ecke Glahnstraße, so neun, geht das?
    – Hausnummer oder Uhrzeit?
    – Beides, man spart sich eine Neun.
    – Okay, und die andere Neun wirft inzwischen Zinsen.
    Ben will witzig sein, aber auch diesmal wird er überhört, weil Schlingensief sich einfach wieder über seine Ameisen beugt und Notizen in ein Moleskine-Büchlein macht, Stuckrad kommt sich vor wie der, der in einen alten, schmutzigen Kartoffelsack ruft und auf das Echo wartet, der große Luchterhand-Autor, jetzt macht ihn jemand von der Leine los. Endlich.
    – Ich geh dann mal.
    Von Schlingensief kommt nur noch ein leise gemurmeltes »Reine Vernunft darf niemals siegen«, aber es kann auch etwas anderes bedeuten, das Murmeln, es könnte seine Entlassung sein, muss aber nicht, er will es riskieren, entfernt sich langsam vom Ameisenstudenten, rückwärts, grinst, so, als bräuchte er eine mimische Rückzugsrechenschaft, nichts für ungut, nicht stören lassen, bis dann, sauber bleiben. Draußen atmet er, so gut es eben geht, tief ein, die Luft ist dick, ein klebriger, schwerer Sommernachmittag, ein Gewitter rollt heran, erste Tropfen, die einen schiefen Regenbogen bauen, Ben ist glücklich, auch sein Darm schöpft neue Zuversicht, erst jetzt spürt er die zwei riesigen Schweißflecken unter seinen Achseln auf seinem hellblauen Hemd, man sieht sie wuchern, sie werden langsam kalt, er will nach Hause, dort überlegen, vielleicht soll er in die Hundekehle heute, vielleicht auch nicht, mit neuem Hemd kann man besser denken, zwei Schweißfl ecken, zwei Enkel, wie ein Rorschachtest, der symmetrische Ben.
    Das sind Schlingensiefs und Stuckrad-Barres erste Begegnung und erster Abschied, und hier ist

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