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Ramses Mueller

Titel: Ramses Mueller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tex Rubinowitz
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denn, kann man das wenigstens wissen?
    – Reminiscing In Tempo , eine Art Biografie über Duke Ellington, aber sehr frei, romanhaft, mit einer fiktionalen Ebene, der Duke, von dem ich da schreibe, ist nicht direkt der echte Duke, der heißt nur zufällig so, also, man kann das auf zweierlei Weise lesen, das find ich immer gut, wenn es zwei Zielgruppen gibt, die eigentlich null Schnittmengen haben, da weiß die eine nichts von der anderen. Und dann reden sie über das Buch, und dann versteht der andere nur Bahnhof, weil er ein vollkommen anderes gelesen hat, das ist doch ein schönes Beispiel für unsere sprachlosen Klassenverhältnisse.
    Was reitet ihn denn jetzt schon wieder? Er gratuliert sich einerseits für seine kreativ sprudelnden Lügen, und gleichzeitig dafür, dass er von seinem Soloalbum ablenken kann, lass das mal schön in der Ecke, das wollen wir jetzt nicht rauslocken, aber wie in Gottes Namen schafft er es jetzt hier, etwas anderes rauszulocken, das, was sich jetzt in ihm windet, im warmen Darm. Aber egal, das kann da noch ein bisschen schmoren, das weicht jetzt erst mal der Verblüffung darüber, wie er jetzt plötzlich auf Duke Ellington kommt, er hört doch so was gar nicht, das ist so das Gerümpelwissen, das bei ihm in den Ecken steht, nicht direkt auf Abruf, auch nicht für eine Quizshow, da kommen dann garantiert andere Fragen, es gibt keine Erklärung dafür, warum ausgerechnet dieses zehntausendstel Wissen über Swingmusik hier bei ihm auf Halde liegt, vielleicht sollte er sich mal was von Ellington im Internet runtersaugen, obwohl er bezweifelt, dass so was geht, Bachs Weihnachtsoratorium kann man sich ja auch schlecht als Runtersaugware vorstellen, wie das schon ekelhaft klingt, runtersaugen, runterladen, das ist wie sich einen abhobeln, von der Palme wedeln, einen wegstecken, warum nur ist die Sprache beim Geschlechtlichen und Kriminellen so verächtlich? Selbsthass vermutlich, Versagensangst, mach’s runter, dann kannst du nur noch siegen.
    – Reminiscing In Tempo , das hat er ja nach dem Tod seiner Mutter geschrieben, kam überhaupt nicht an, vielleicht war den Leuten das zu persönlich, gilt heute aber als Meilenstein, auch wenn der King Porter Stomp von Benny Goodman der Startschuss der Swingära war, aber mich hat mehr Ellington interessiert, Take the A-Train kennst du sicher.
    – Natürlich.
    – Ist aber nicht von Ellington, sondern von Billy Strayhorn, das war sein Komponist und Arrangeur, schwarz und schwul, nicht gerade die Bombencombo in den vierziger, fünfziger Jahren, also Combo im Sinne von Kombination, nicht wie in Musikcombo, in der ja jedes Instrument nur einmal vorkommen darf, und das trifft ja auf Ellington nicht zu.
    – Man sagt übrigens nicht mehr »fünfziger Jahre«, sondern muss jetzt »1950er« sagen, streicht dir jeder Lektor raus, denn mit »fünfziger Jahren« könnte man ja auch 2050 meinen.
    – Im Falle Duke Ellingtons liegt das natürlich auf der Hand. Nein, das weiß ich, das hat der zwar korrigiert, aber ich hab’s rückkorrigiert.
    – Wo kommt denn dein Buch?
    – Bei welchem Verlag? Luchterhand.
    Bloß viele Hinweistafeln setzen, die in die unterschiedlichsten Richtungen weisen, so bleibt er auf der sicheren Seite. Schlingensiefs schnippische Art gefällt ihm, auch wenn er ihm hier im Weg steht, auf dem inzwischen sehr weiten Weg zum Klo, und was ist das für ein Enkel, und was ist mit den Ameisen?
    – Ich hab vorhin doch etwas über Kleinheit erzählt, es gibt ein anderes Phänomen, auf das ich gekommen bin, du kennst doch die Theorie, dass breite Streifen dick machen und Schwarz schlank, oder andersrum, weiß nicht so genau, aber was eher nicht so bekannt ist, ist, dass Rot klein macht, also, wenn du eine rote Hose trägst, wirkst du kürzer, weil die Aggressivität der Farbe so dominant ist, dass sich das, was sie bedeckt, scheinbar zusammenzieht, von einem Scheinschrumpfungsprozess spricht man dann. Deshalb trag ich, wenn ich hierher komme, immer eine rote Hose, ich will nicht auffallen, die Hose lenkt ab, und ich schrumpfe, und wenn ich hier über meinen Ameisen brüte, dann falle ich sowieso nicht auf, dann werde ich eine von ihnen, dass ich als Walter Mitty studiere, das soll auch keiner wissen, das ist so ein Privatvergnügen von mir, so wie andere in den Puff gehen, oder sich dreizehn Nutten aufs Zimmer kommen lassen, oder komische Hobbys haben, Volleyball mit Rollstuhlfahrern spielen, und man ist selbst gar keiner, das gibt’s alles,

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