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Ramses Mueller

Titel: Ramses Mueller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tex Rubinowitz
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Fleisch des sogenannten Establishments beispielsweise, sondern man müsse da viel diffiziler reingehen, über Umwege und mit Tarnkappenbombern, ob er verstehe, was er meine, Stuckrad nickt, ob das Doppelspiel mit Walter Mitty da in der Bücherei schon Teil dieser Taktik sei, interessiert ihn, nicht Bücherei, belehrt ihn Schlingensief, nenne eine Bibliothek nicht Bücherei, das ist wie Klopapier mit Zeitungspapier vergleichen, beim Klopapier durchzuckt es Stuckrad, weiß er es , hat er es auch? Außerdem weiß er nicht recht, in welchem Kontext welches Papier minderer ist, gibt ja mindestens zwei. Du musst da reingehen, kalt lächelnd, Subversion durch Affirmation, wir müssen von den Ameisen lernen, »von den Schlupfwespen«, korrigiert ihn Stuckrad, genau, so muss man das machen, du musst die anderen das Haus bauen lassen, das du zerstören kannst, verstehst du? Deshalb hab ich dich vorhin auf Heiner Müller angesprochen, auch er so eine Schlupfwespe, sie haben um ihn herum die DDR gebaut, die roten Ameisen, den Bau, in dem er schalten und walten konnte, und dann: Bums, fällt die Mauer um, an der er zeit seines Lebens gesägt hat. Dass man an einer Mauer nicht sägt, verkneift sich Stuck-rad jetzt besser. Was ich sagen will, ist, du solltest deine Ähnlichkeit mit Müller nutzen, mein Freund. Und das war dann sozusagen die Initialzündung, auch dass er diesen Vorschlag mit Freund garnierte, das war ein Vertrauensvorschuss, den er dankbar aufgriff, warum nicht? Warum soll er sich nicht auch ein Pseudonym zulegen, Müller, Wolfgang Müller, nein, zu profan, Bomber Müller, Kongo Müller, beide schon vergeben, Turhaan Müller, Wombat Müller, engere Wahl, die sichere Ersatzbank, Ramses Müller, ja, das ist es, da ist Schwung drin, Pyramiden und Mehl, Pyramiden aus Mehl, ein prachtvolles Oxymoron, im Schatten Marlenes und Heiners, wenn es Nacht wird in Deutschland, einen Ausweis würde er sich in der Bibliothek ausstellen lassen und eine Biografie basteln, so dachte er damals, und so leicht ging das dann ja auch, Heiner Müller, das Gastspiel der Hamletmaschine am Théâtre de la Madeleine, Paris, die Affäre mit Marlene Dietrich, deren Tochter, seine Mutter, ihr unehelicher Sohn, er, geboren in Französisch-Guayana, kein Mensch weiß davon, pas du tout , und so wird er das machen, wie Schlingensief, er will das auch niemandem erzählen, das macht den zusätzlichen Reiz aus, dann kommt sein Buch, dann ist er fröhlich Stuckrad-Barre, der mit dem Soloalbum , aber da drunter lauert die Wespe, und die wird er auspacken, eines schönen Tages, »aber Marlene Dietrich war doch Lesbe«, »das hat sie immer behauptet, um sich vor den in ihrer Privatsphäre stochernden Paparazzi zu schützen«, so was muss er im Repertoire haben, alle zurückverfolgbaren Spuren verwischen, eine Lesbe macht sich unsichtbar, und dieser Moment, wo er das Insekt in den Ameisenhaufen gehen lässt, der war eben gestern im White Trash , und das passt ja alles ganz wunderbar zusammen, dass Leander, sein Leander, dieses Stück bei ihm in Auftrag gegeben hat, das ist seine Batterie, sein Filz und sein Fett, Energie und Wärme, sein Rüstzeug, und dann, zack, in den Bau wie die Wespe, geniale Strategie, so wird operiert, Lydia, Armin, Schubal, man muss sie sich sozusagen bauen, dann geht man mit ihnen in den Bau Haußmann, der kennt nur einen Teil der Wahrheit, Schlingensief kann das Werden dokumentieren, und am Ende haben alle profitiert von seiner kleinen Kunstaktion. Dass Marlene Dietrich, wie er recherchiert hat, 47 war und Heiner Müller 20, als sie sich trafen und sie schwanger wurde, das ist wasserdicht, belegbar, und man kennt diese Konstellationen doch, das läuft in parallelen Ellipsoiden, immer wieder werden junge Männer von älteren Frauen initiiert, das kommt in Phasen, man kennt das aus Liedern, Peter Maffay, »Ich war 16 und sie 31, und über Liebe wusste ich nicht viel, Sie wusste alles und sie ließ mich spüren, ich war kein Kind mehr« usw., und von der tragischen Dalida, die unter einer Plastiktüte erstickt ist, 3. Mai 1987, »Er war gerade 18 Jahr, fast noch ein Kind mit weichem Haar, ich malte und frisierte mich ein bisschen mehr auf jugendlich … er sagte, du warst gar nicht schlecht, die Jugend gab ihm wohl das Recht … ich hab vergessen ganz und gar: Ich zählte zweimal 18 Jahr«, aber zu Zeiten Heiner Müllers in Paris lag das etwas anders, unter dem gesellschaftlichen Grauschleier Ulbrichts und de Gaulles, den sie über

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