Rangun
nicht sehr. Die Fliegen und Moskitos bissen heftig, und wenn der Wind auf die See wehte, drang der Landgestank wie Hurenparfüm in seine Nase. Der Besuch der Bordelle garantierte Syphilis, aber die wenigen in Frage kommenden Frauen seines Standes... Sein Blick wich rasch dem einer Miß mit besonders scharf geschnittenem Gesicht aus und wanderte wieder zu dem makellosen Profil Lysistrata Herriotts. Die meisten Kolonien boten trübe Heiratsaussichten, und Australien ließ ihn kalt. Selbst in Amerika gab es feindselige Indianer. Den Blick noch auf Lysistrata gerichtet, seufzte er und dachte an eine Zigarre.
»Sie wirken elend, Leutnant«, stellte eine vertraute Stimme an seinem Ellenbogen fest. »Ich nehme an, die Tanzkarte der Lady ist überfüllt.«
Harry lächelte Richard Harley schief an. »Oh, Lysistrata ist freundlich. Sie hat mich für eine Polka und für die letzte Quadrille aufgeschrieben. Hätte sie das nicht, könnte ich ebensogut heimgehen. Seit sie die >rani< von Rangun ist, kommt man nicht mehr an sie heran.«
»Nennt man sie so?«
Harry lachte leise. »Nein, ich nenne sie so. Um sie zu amüsieren. Sie glaubt, das alles sei Unsinn, aber ich denke, ihr gefällt es. Kann ihr keinen Vorwurf machen. Schließlich«, murmelte er fast wie zu sich selbst, »hat sie ein Recht darauf zu heiraten, so gut sie kann.«
»Und ernsthafte Bewerber?«
Harry machte ein langes Gesicht. »Adams schlägt das täglich beim Tee vor. Hillman erwähnte es einmal die Woche. Hinter ihnen bildet sich eine lange Reihe - vor allem zu einem Flirt natürlich.« Seine Augen verengten sich. »Ich weiß nicht, was Bettenheim vorhat. Er ist verdammt formell -Blumen, all die netten Worte - aber...« Harry steckte seine Hände in die Taschen. »Für mich ist er nicht der Typ, der einer vermögenslosen Frau ernsthaft den Hof macht... sage ich!« Er wandte sich an Harley. »Was meinen Sie mit bewerben? Sie wissen, ich bin nicht hinter ihr her.«
»Nur eine unbedachte Wortwahl, Leutnant«, erwiderte Harley sanft. Er betrachtete die Damen auf den vergoldeten Stühlen. »Warum sollten Sie sie wollen? Rangun hat so viele interessante Damen, die darauf aus sind, Ihre Lebensgefährtin zu werden.« Sein Lächeln wurde ein bißchen wölfisch. »Und nur Schoßhunde bemühen sich um ihre Aufmerksamkeit. «
Harry fixierte ihn eifersüchtig. »Schießen Sie mit Pfeil und Bogen woanders hin, Amor. Sie zielen auf den Falschen.« Er neigte den Kopf. »Sie zeigen bemerkenswertes Interesse an der Dame. Passen Sie auf, daß Sie nicht einer Ihrer eigenen Pfeile erwischt.«
»Besonders wenn seine Spitze vergiftet ist«, murmelte Harley.
Harry schaute Harley mißtrauisch an, erinnerte sich dann an den Zwischenfall mit dem Tamilen, der den Hunger mancher Männer zeigte, einen anderen - auf vielerlei Art Überlegenen - zu demütigen. »Ja«, sagte er langsam, »ich denke...« Er brach ab, als die betreffende Dame und ihr Tanzpartner zu .ihnen kamen.
»Meine Herren, darf ich Ihnen Mr. John Forbes vorstellen. Mr. Forbes, das sind Leutnant Harry Armistead und Mr. Richard Harley. Leutnant Armistead ist wie Sie begeisterter Kricketspieler, Mr. Forbes. Vielleicht machen Sie beide sich bekannt, während ich mit Mr. Harley die Bedingungen für eine Wette aushandle.« Als Forbes und Harry keine Anstalten machten, sich zu entfernen, schenkte sie ihnen ein strahlendes Lächeln, hakte Harley ein und führte ihn auf die Terrasse, während die Menge im Ballsaal interessiert zuschaute.
»Miß Herriott«, sagte Harley kurz, als sie im Mondlicht spazierten. »Ich verzweifle an Ihrer Diskretion.«
Sie blickte von den schimmernden Lichtern der Stadt auf die Balustrade und verzog dann boshaft die Lippen. »Sie können also wütend sein. Ich fragte mich schon, ob Sie ganz menschlich sind.«
»Haben Sie mich deshalb allein zu diesem Tête-à-tête herausgeführt, um zu sehen, ob ich menschlich bin?« Seine Stimme wurde heiser und ein wenig drohend. »Ich dachte, Sie wüßten das besser.«
Um ihr Unbehagen zu kaschieren, sagte Lysistrata: »Wir sind selten allein.« Ihr Straußenfederfächer deutete auf mehrere Paare, die um Palmen spazierten. »Und was den Kuß anbelangt, zu dem Sie mich im Labyrinth zwangen, warum so tun, als bedeute er Ihnen etwas?« Sie hätte zu gern hinzugefügt: »Oder mir?« Doch sie war sich sicher, daß er es besser wußte. Gerade jetzt, nach Monaten der Trennung, war seine Nähe besonders beunruhigend. Sie musterte ihn und konnte den Blick nicht von
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