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Rangun

Rangun

Titel: Rangun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Monson
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verärgerte Lysistrata und Harley. Beide wollten aus unterschiedlichen Gründen mit dem anderen nicht allein sein. Nachdem das Dingi aber den schmalen Strand erreicht hatte, schickte Harley die madegassischen Ruderer zur Rani zurück. Auf Lysistratas verblüfftes Gesicht hin, sagte er ironisch: »Kein Mann mag Anstandsdamen, vor allem überflüssige. Wenn ich Sie belästigte, würde er mich nicht zurückhalten. Täte ich's nicht, würde ihm das keiner glauben. Er holte uns in ein paar Stunden ab.«
    Lysistrata war nicht völlig beruhigt und schaute dem Dingi nach, das zu der ankernden Rani zurückfuhr. Hinter sich hörte sie leises Lachen. »Warum machen Sie sich Sorgen, wenn ihr Vater sich keine macht?«
    Sie drehte sich mit amüsiertem Blick um. »Er kennt Sie nicht so gut wie ich, aber ich möchte nicht unterstellen, daß er mir etwas Übung verschaffen will.«
    »Übung?«
    »Im Umgang mit einem einzelnen Mann. Er meint, daß ich ein falsches Gefühl von Vertrauen bekomme, wenn ich mit Männern in der Öffentlichkeit gleich reihenweise fertig werde.«
    »Ich verstehe.« Seine weißen Zähne leuchteten. »Ist Ihr Vater immer so sensibel?«
    »O nein. Einmal verlor er die Beherrschung und erschoß einen verheirateten Mann, der mit Mama flirtete.« Sie scharrte in dem feinweißen Sand. »Er ist Experte mit Pistole und Säbel, wissen Sie. Er hat Antietam überlebt.«
    »Und Sie.«
    Sie lachte. »Keine Ahnung. Nach dem heutigen Tag kann jeder seinen eigenen Weg gehen.«
    »Dann wollen wir uns den Tag nicht mit Andeutungen darauf verderben, wessen Blut den Sand durchtränken wird, wenn er sich nicht benimmt.« Und das war für Lysistrata vielleicht eine größere Versuchung als sie ahnte, erkannte Harley. Er hatte schon lange bemerkt, daß er die Vorliebe mancher Männer des Ostens für blonde Frauen teilte, und Lysistratas Haar glänzte fast weiß in der Sonne. Das am Halse offene gelbe Kleid bauschte sich im Wind um ihren schlanken, hochbrüstigen Körper, und er wußte besser als sie, wie leicht er diesen Körper dazu verführen konnte, sich ihm zu ergeben. Aber weder er noch Lysistrata durften daran denken. Er streifte seine Stiefel ab und streckte eine Hand aus. »Lassen Sie uns laufen.«
    »Das ist keusch genug.« Sie zog ihre Sandalen aus und nahm mit gewisser Vorsicht seine Hand.
    Sie ist wie ein Schmetterling, dachte er, als sie barfuß durch die Flut liefen, zu zerbrechlich, um mehr als einen flüchtigen Kontakt zu wagen. »Was macht Ihre Seekrankheit?« fragte er.
    »Verschwindet. Vor allem, wenn ich nicht aufs Wasser schaue.« Verdutzt runzelte sie die Stirn. »Seltsam. Auf der ganzen Reise von Boston war ich nicht die Spur seekrank.«
    »Das weiß man nie. Manche Lebensmittel scheinen damit etwas zu tun zu haben, aber Admiral Horatio Nelson war an jedem Tag seiner Marinelaufbahn seekrank.«
    »Ich denke, das macht Ihnen Freude.« Sie bemühte sich um eine volltönende Stimme. »Ein Brite, in dessen Reich die Sonne nicht untergeht, krank auf seinem drohenden Schiff.«
    »Warum sagen Sie das?« Sein Griff festigte sich, und sie zuckte zusammen, bedauerte die Entgleisung. Sie hätte seine Bemerkung zu dem Chinesen Wa Sing nicht hören dürfen.
    »Hat man Ihre Nation nicht zur Kolonie degradiert?« ent-gegnete sie. Wenn sie ihn genügend provozierte, würde sie vielleicht erfahren, was hinter seiner eisernen Zurückhaltung steckte. »Sind es nicht Diebe?« drängte sie ihn.
    »Sie haben sich nicht gescheut, sich mit der Beute ihrer Feldzüge beim Regattaball zu schmücken«, stellte er trocken fest. »Die Perlen in Ihrem Haar gehörten einmal dem Staate Jansi. Er wurde mangels eines direkten männlichen Erben >vereinnahmte<. Wenn Sie sich beim nächsten Mal Lady Marys Schmuck ausleihen, sollten Sie vielleicht Ihre Ansichten äußern. Ihre Reaktion dürfte explosiv sein.«
    Hübsch pariert, folgerte sie. Harley war an listigere Gegner als sie gewöhnt.
    »Sie wirken nachdenklich«, bemerkte er ironisch. »Oder sind Sie bloß beleidigt?«
    »Vielleicht überlege ich mir Bemerkungen für Lady Mary«, erwiderte sie, »oder formuliere meine Entschuldigungen an Indien. Sie sind Inder? Vielleicht sollte ich sie an Sie richten.«
    »Ich bin Rajput. Sardinen in einer Dose mögen für den, der sie öffnet, gleich aussehen, aber für Sardinen sind die Unterschiede deutlicher. Dieser Hang zur Pedanterie führt manchmal zu Blutvergießen, doch dadurch wird eine Überfüllung verhindert.«
    »Zum Wohle des Öffners oder der

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