Rangun
sie als Huren.«
Als sie sich von ihm zu befreien versuchte, lächelt er verkrampft. »Glaubtest du, wir würden ein Bett in alle Ewigkeit teilen?«
»Bitte«, flüsterte sie, »tu das nicht. Tu mir das nicht an.«
»Keine Angst. Schließlich bist du ja keine dieser anderen gelangweilten weißen Frauen, sondern das Gespött von Rangun, vor allem unter der einheimischen Bevölkerung. Ich amüsiere mich noch immer.« Er lachte kurz, als sich Scham und Enttäuschung auf ihrem Gesicht zeigten. »Ist der Geschmack der Frucht vom Baum der Erkenntnis jetzt bitter geworden? Soll ich dich trösten?« Wie um ihre Demütigung zu besiegeln, streiften seine Lippen ihre nackte Schulter an der Stelle, wo Lop Ear ihr das Kleid zerrissen hatte. Haß auf ihn erfüllte stärker als die gerade erstickte
Liebe ihre Augen. Als er von ihr ließ, drehte sie sich wie eine Katze und zerfurchte mit langen Nägeln sein Gesicht.
Er berührte seine Wange und musterte dann gleichgültig seine blutigen Finger. »Impulsiv«, murmelte er. »Direkt in den Rachen der Hölle.«
Ihre tränenglänzenden grünen Augen verengten sich. »Ich möchte dich direkt in die Hölle schicken!« Sie ergriff ihren Longyi und erhob sich von der Pritsche.
Er schaute zu, als sie sich anzog und zur Tür ging. »Falls du vorhast, den Behörden eine Geschichte von verletzter Tugend zu erzählen, dürftest du Schwierigkeiten haben zu erklären, was du hier überhaupt getan hast. Sicher werden sie dir glauben. Schließlich bist du bei ihnen ja sehr beliebt. Selbst die birmanischen Beamten bewundern dich, weil du ihretwegen soviel Ärger bei den Briten verursachst. Dr. Herriott wird die Schilderung mehr als jeder andere genießen.«
Sie drehte sich mit vor Haß starrem Gesicht um. »Ich hätte dich an Cholera sterben lassen sollen.« Die Tür schlug hinter ihr zu.
In Harleys Augen trat ein düsterer Schatten schrecklichen Alleinseins. Er hatte seine Absicht erreicht. Schließlich rief er Kanaka zu sich. »Such die Frau, die gerade gegangen ist. Mach schnell. Wir segeln heute nacht nach Sumatra.« Kanaka verschwand. Als seine Schritte auf der Planke verhallten, lehnte Harley sich auf die Pritsche zurück, führte die Brandyflasche an seine Lippen und trank.
Lysistrata war voller Schmerz und Wut und dachte kaum über den Weg nach, als sie durch die Hafengassen zum Royal Hospital eilte. Sie wollte nur soweit wie möglich von der Rani und dem Monster entfernt sein, das sie zu lieben begonnen hatte. Liebe! Liebe hatte die kalten Augen einer Kobra. Die log und sie verspottete und zerstörte. Wie ein törichter Vogel war sie von Harley fasziniert gewesen, als sei er ein Stück Schnur. Jetzt hatte er sich um ihren Hals geschlungen. Kaltblütig hatte er sie auf schlimmstmögliche Weise erniedrigt. Das Wunder, das sie bei ihrer Liebe empfunden hatte, war eine Täuschung gewesen. Er hatte Großartigkeit in Sünde verwandelt, niedrig und gemein und elend. Sie fühlte sich besudelt und beschmutzt.
Alles hatte sich verändert. Vor Lop Ear und Harley hatten die Menschen, denen sie half, mit Wärme und Zuneigung reagiert. Sie hatte sich beschützt gefühlt, als ob selbst der Gemeinste von ihnen wissen müsse, daß sie ihr Leben nur erleichtern wollte. Jetzt höhnte und drohte jeder Schatten. Wo war die geschäftige Water Street mit ihren Läden? Wie in dem Labyrinth, das Harley verborgen hatte, führte eine Gasse nur in die nächste. Vielleicht dämpfte der Schmutz die verfolgenden Schritte, denn sie hörte sie zu spät. Als sie zu rennen begann und um eine Ecke bog, legte sich eine Hand über ihren Mund, eine andere umklammerte ihre Arme. Sie trat panisch auf den Angreifer ein, aber die weichen Sandalen bewirkten nichts. Sie sah kurz ein chinesisches Gesicht, bevor ein Chloroformbausch auf ihre Nase gedrückt wurde. Ich hätte das nicht sagen sollen, dachte sie in Panik, als sie benommen wurde. Ihr bewußtloser Leib wurde geschickt in einen scharlachroten und schwarzen Sarg gelegt, wie man ihn für Einäscherungen benutzte.
KAPITEL 7
Zerstörung
Ein Tiger spielte hier und rollte hin und her die Köpfe und Kronen von Königen
ALFRED, LORD TENNYSON
»Ich weiß nicht, was ich tun soll, Harry.« Herriott fuhr sich mit seinen Fingern besorgt durchs Haar, während er in seinem Arbeitszimmer auf und ab ging. »Ich war überall, habe mit jedem gesprochen. Die birmanischen Beamten sind ebenso mitleidsvoll wie die Briten und ebenso nutzlos.« Er ließ sich in einen Sessel fallen. »Ich
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