Rangun
schwöre, sie alle sind froh, daß sie weg ist und nicht mehr für weitere Kontroversen sorgen kann. Mindon, seine albernen Kompromisse und seine Zusammenarbeit! Damit wird er noch seinen Thron unter Victorias...« Er faßte sich. »Tut mir leid, Harry, aber ich bin verzweifelt. Sie ist alles, was ich habe.«
»Ich weiß sehr gut, was Sie fühlen, Sir«, erwiderte Harry ruhig. »Ich habe mit meinem Kommandanten wegen einer Suche gesprochen, aber er beharrt darauf, daß der Fall eine Zivilangelegenheit ist. Wenn wir nur eine Spur hätten... Es wäre schön, sagen zu können, daß Lysistrata keine Feinde hätte, doch nicht mal die Mayfield könnte all die Leute befördern, die sie gegen sich aufgebracht hat. Ich fürchte, mehrere von denen wären dazu imstande, sie aus dem Weg zu räumen.«
»Ich bin froh, daß Sie nicht >töten< gesagt haben, Harry«, murmelte Herriott trocken. »Es ist so erträglicher.«
»Entschuldigung, Sir.«
Ma Saw tauchte im Türeingang auf. »Verzeihen Sie, Doktor, aber darf ich hereinkommen?«
»Natürlich, Ma Saw«, sagte Herriott matt.
»Ich habe Ihr Gespräch mitgehört«, sagte sie zögernd. »Ich weiß, daß Sie wegen Missy besorgt sind, deshalb habe ich nichts gesagt, aber... meine Sein, ich glaube, sie ist auch verschwunden.«
Herriott hob den Kopf. »Was sagst du? Seit wann?«
»Vor über einem Monat ging sie zum Haus von Tuan Harley.« Sie hielt inne und fuhr fort: »Ich weiß, daß sie bei ihm war, als er krank war... auch vorher schon, aber sie kam immer zwischendurch heim. Sie ist töricht, aber nicht so sehr. Seit zwei Wochen hat sie niemand gesehen.«
»Harley, ja«, sagte Herriott nachdenklich. »Vielleicht hat er sie mit nach Sumatra genommen. Die Rani ist vor zwei Wochen ausgelaufen.«
»Und Lysistrata ist auch um diese Zeit verschwunden«, überlegte Harry. »Vielleicht hat Ma Saw da etwas. Harley erzählte mir, daß ihm Lysistratas soziale Hetzerei nicht gefiele. Er drohte sogar, etwas dagegen zu unternehmen... aber Entführung?« Er schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht.«
»In den Schänken und am Hafen kursieren Gerüchte, daß er Drogenhändler ist und im Sklavenhandel arbeitet«, warf Ma Saw ein. »Vielleicht hat er Sein und Missy als Sklaven verkauft. «
»Quatsch!« erwiderte Harry. »Das wäre für einen so vorsichtigen Mann wie Harley zu riskant. Zudem lebt er fast wie ein Puritaner...«
»In Rangun«, sagte Herriott langsam. »Vielleicht ist er anderswo weniger sonderbar. Wir sollten besser mit Bartly sprechen.«
Die Chiltons aßen mit den Bartlys zu Abend, als Harry und Dr. Herriott eintrafen. Sir Anthony empfing sie mürrisch im Speisezimmer, als er hörte, daß sie möglicherweise einen Hinweis auf Lysistratas Verbleib hatten. Nachdem sie jedoch berichtet hatten, während der Butler ihnen Kaffee brachte, höhnte er: »Richard Harley! Gütiger Gott, da könnte ich ebensogut meine Mutter verdächtigen! Halten Sie ihn für einen Idioten?«
»Ich weiß nicht, Tony«, sagte General Chilton. »Ich hab' diesem Mischling nie getraut. Die haben alle keine Moral.«
Sir Anthony warf ihm einen ungeduldigen Blick zu. »Unsinn, Nigel. Er war immer zuverlässig. Das ist reine Spekulation.«
»Vielleicht nicht, Tony.« Evelyn legte mit nachdenklichem
Stirnrunzeln eine Hand auf seinen Arm. »Mein Dienstmädchen, Anne, ist nach ihrem freien Tag nicht zurückgekehrt das ist zwei Tage her. Sie war auch sehr zuverlässig.«
»Vielleicht hat sie einen unzuverlässigen Liebhaber«, warf Lady Mary mit einem schrägen Blick auf Evelyn ein.
»Vielleicht«, erwiderte Evelyn kühl, »aber ich sah ein-oder zweimal, wie Harley sie ansah. Du nicht auch, Nigel?«
»Gute Güte, was soll er sonst tun? Sie ist ein kleines Flittchen«, kicherte Chilton, wobei seine Augen zornig glänzten.
»Es ist seltsam, daß all diese jungen Damen Richard Harley kannten«, grübelte Harry.
»Nun, wir werden eine Woche warten, um den Damen die Chance zu geben, zurückzukommen, bevor wir Entscheidungen treffen«, stellte Sir Anthony entschlossen fest. »Im Augenblick möchte ich keine Spekulationen mehr hören.«
In dieser Nacht bürstete Lady Mary gedankenvoll ihr Haar, während ihr Mann eine drei Monate alte Times las. »Tony, meinst du nicht, daß Richard Harley etwas mit dem Verschwinden zu tun haben könnte?«
»Habe ich meine Meinung beim Essen nicht deutlich dargelegt?« erwiderte er verärgert.
»Ich denke, es wäre sehr nachteilig für das Yünnan-Projekt, sollte Harley
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