Rangun
meine Welt eingedrungen und gestorben. Glaub mir, mit der Zeit wird es besser sein, wenn das auch jeder glaubt, der dich liebt.«
Die Endgültigkeit seiner Worte drang wie ein Stein in ihr Herz. Es genügte ihm nicht, sie einmal gedemütigt zu haben; er wollte sie zerreißen... aber wofür? Hatte hinter seinem Verlangen stets Haß gesteckt? Haß, den er jetzt auch sie gelehrt hatte?
Nachdem er gegangen war, und die Tür verschlossen hatte, saß sie wie erstarrt da und schaute aus der Luke auf die graue See.
Das Essen kam, aber er nicht. Die Sterne gingen auf, und sie betrachtete sie, wußte, daß in ihr etwas für immer sterben würde, wenn er kam. Schließlich legte sie einen Longyi an, den sie in seinem Schrank fand, und warf die schwarze Seide aus dem Bullauge.
Der Morgen kam, und er war nicht gekommen, und so blieb es auch in den folgenden Nächten und Tagen, in denen die Rani westwärts durch die Straße von Malakka in die Andamanensee segelte. Sie hielt sich von den Küsten von Tenasserim und Birma fern und passierte bei Baragua Point schließlich die Mangrovensümpfe. Die Rani lief nachts in den Irrawaddy ein. Von drei mit Remingtons bewaffneten Karen bewacht wechselte Harley mit der Mannschaft und seiner Gefangenen in einem sumpfigen Nebenarm auf die Dampfjacht Lady of Shalott. Als Lysistrata an Bord gebracht wurde, sah sie im Mondlicht, wie Matrosen eilig Eimer nach unten brachten. Über den Rumpf der Rani, die unter Mangroven versteckt war, wurde ein Fischernetz geworfen.
Eine Stunde später dampfte die Lady of Shalott auf den Irrawaddy zu. Zum Frühstück lief sie in den Kyunpyatthat mit seinem morgendlichen Schlepper- und Frachterverkehr ein.
Lysistrata mußte sich das Bild aus Harleys Kabine ansehen, die gegen Mittag trotz der Decksventilatoren heiß wie ein Backofen wurde. Die Bullaugen waren verriegelt, um zu verhindern, daß sie den auslaufenden Frachtschiffen Signale gab.
An diesem Abend brachte der Koch, Lysistratas einziger Besucher während der Reise, wie üblich Abendessen, diesmal aber mit der willkommenen Abwechslung von Hilsa- Fisch und frischem Gemüse. Wenn mit dem Essen nur soviel grüner Tee gebracht worden wäre, daß es für ein Bad gereicht hätte!
Ihre Hoffnung erfüllte sich, als die Lady of Shalott am späten Nachmittag des nächsten Tages in sicherer Entfernung von Prome und der britischen Garnison in einem Dorf Holz bunkerte. Das Dorf erstreckte sich an einem Ufer und war zur Flußseite durch Dornengestrüpp und Winden abgeschirmt. Über den Strohdächern ragten Tamarinden und Mangos zwischen Palmen. Lysistrata wurde in dem Augenblick an Deck gebracht, als ein Mann, der bis auf einen Turban und ein weites indisches Gewand Harley ähnelte, ans Ufer sprang. Ihr wurde klar, daß Harley zum Einheimischen geworden war, als ein Dorfbewohner sich mit großer Ehrerbietung dem Inder näherte und s hikkohte. Während Harley sich verneigte und freundlich zu plaudern begann, wurde Lysistrata von einem bewaffneten, unfreundlichen und schwarz gekleideten Kachin Birmanen ans Ufer gestoßen.
Was immer Harley Vorhaben mochte, Lysistrata war entschlossen, daß er es bedauern würde. Auf der Reise flußaufwärts hatte sie keine Zeit gehabt, härter zu werden. Wenn sie sich zu beugen hatte, würde sie sich beugen, gerade soweit, um ihm in die Zähne zu schlagen, sobald sie Gelegenheit dazu bekam.
Harley wandte sich kurz zu ihr um und sagte auf Englisch: »Dies ist U Too, der Dorfvorsteher. Du wirst vor ihm Shikkohen.«
»Und wenn ich das nicht tue?« sagte sie gleichgültig. Harley wirkte in dem indischen Hemd, das bis zur Taille offen war, und der Hose, die von seiner Hüfte zu rutschen schien, nur halb angezogen.
Mit einer Ruhe, die sie verrückt machte, glitt sein Blick über ihren schweißglänzenden Körper. »Der Kachin wird dir versehentlich mit seiner Pistole in den Fuß schießen.«
Sie shikkohte, Harley präsentierte sie lässig wie einen dressierten Pudel und U Too strahlte. Als sie hörte, wie er Harley wegen ihres Haares ein Kompliment machte, richtete sie sich auf und dankte ihm höflich auf Birmanisch.
Als Dank dafür blickte er sie mit großen Augen an. »Es ist sehr schön, einer wohlerzogenen Engländerin zu begegnen«, sagte er, als sei er schon vielen unfreundlichen begegnet. »Sicher leben Sie schon seit hundert Jahren in Birma.«
Da letzteres nicht unbedingt eine Frage war, kam Harley einer Antwort zuvor, indem er einen Matrosen heranwinkte, der einen mit Schnaps,
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